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geschwindern oder noch einmal so kurzen Noten, in jeder Tactart und untermischet sind; denn alsdenn müßten diese letztern auf die oben beschriebene Art vorgetragen werden. Z. E. Wollte man Tab. IX. Fig. 1. die acht Sechzehntheile unter den Buchstaben (k) (m) (n) langsam in einerley Geltung spielen; so würden sie nicht so gefällig klingen, als wenn man von vieren die erste und dritte etwas länger, und stärker im Tone, als die zweyte und vierte, hören läßt. Von dieser Regel aber werden ausgenommen: erstlich die geschwinden Passagien in einem sehr geschwinden Zeitmaaße, bey denen die Zeit nicht erlaubet sie ungleich vorzutragen, und wo man also die Länge und Stärke nur bey der ersten von vieren anbringen muß. Ferner werden ausgenommen: alle geschwinden Passagien welche die Singstimme zu machen hat, wenn sie anders nicht geschleifet werden sollen: denn weil jede Note von dieser Art der Singpassagien, durch einen gelinden Stoß der Luft aus der Brust, deutlich gemachet und markiret werden muß; so findet die Ungleichheit dabey keine Statt. Weiter werden ausgenommen: die Noten über welchen Striche oder Puncte stehen, oder von welchen etliche nach einander auf einem Tone vorkommen; ferner wenn über mehr als zwo Noten, nämlich über vieren, sechsen, oder achten ein Bogen steht; und endlich die Achttheile in Giquen. Alle diese Noten müssen egal, das ist, eine so lang, als die andere, vorgetragen werden.

13. §.

Der Vortrag muß auch: leicht und fließend seyn. Wären auch die auszuführenden Noten noch so schwer: so darf man doch dem Ausführer diese Schwierigkeit nicht ansehen. Alles rauhe, gezwungene Wesen im Singen und Spielen muß mit großer Sorgfalt vermieden werden. Vor allen Grimassen muß man sich hüten, und sich so viel als möglich ist in einer beständigen Gelassenheit zu erhalten suchen.

14. §.

Ein guter Vortrag muß nicht weniger: mannigfaltig seyn. Licht und Schatten muß dabey beständig unterhalten werden. Wer die Töne immer in einerley Stärke oder Schwäche vorbringt, und, wie man saget, immer in einerley Farbe spielet; wer den Ton nicht zu rechter Zeit zu erheben oder zu mäßigen weis, der wird niemanden besonders rühren. Es muß also eine stetige Abwechselung des Forte und Piano dabey beobachtet werden. Wie dieses bey jeder Note ins Werk gerichtet werden müsse, will ich, weil es eine Sache von großer Nothwendigkeit ist, zu Ende des XIV. Hauptstücks, durch Exempel zeigen.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Joachim Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Johann Friedrich Voß, Berlin 1752, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Quantz_Versuch_Fl%C3%B6te_1752_Seite_106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)