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der Dillbahn.) Freilich kommen, nordöstlich von Dillenburg und Herborn, bedeutende Eisensteinlager vor, die zusammen eine nicht unansehnliche Masse zum Transport abgeben können. Bei diesen Angaben ist aber auch in’s Auge zu fassen, daß diese Eisensteinlager sich von der Dill, bis zu den Ufern der Lahn und über dieselben hinaus erstrecken, daß außerdem im Oberlahnthalgebiet reiche Brauneisenstein-Ablagerungen vorkommen. In diesem Augenblick existiren im Lahnthal 7 Hochöfen, 6 Stabeisenhämmer, 2 fertige und 1 im Bau befindlicher Puddelofen; wobei aber zu berücksichtigen ist, daß in dieser Gegend der Bergbau erst seit 20 Jahren frei ist, während im Dillthal schon seit Jahrhunderten fiscalische, und seit geraumer Zeit auch privative Hütten existiren, deren Bestreben vorzugsweise darauf gerichtet war, zu schürfen und Erzlager zu entdecken. Es hat aber schon diese kurze Zeit gezeigt, daß das Lahnthal in dieser Beziehung, wie auch hinsichtlich der edleren Metalle, dem Dillthal in keiner Weise nachsteht.

Wirft man nun einen Blick auf die ganze von uns vorgeschlagene kürzeste Linie, bedenkt man, daß die mehrere Millionen Frachtgüter, welche die Siegerländer der Bahn garantirt haben sollen, der von uns vorgeschlagenen Linie in erhöhetem Maaße zu gute kommen würden, erwägt man, daß sich dieses Quantum in den sonstigen Eisensteinrevieren wenigstens verdoppeln müßte, nimmt man die Fracht hinzu, für deren Versandt sich die Kohlengrubenbesitzer der Ruhr verbürgt haben, so schwindet jeder Zweifel, daß sich die von uns beantragte Bahn nicht schon mittelst des bloßen Lokal- und Rohmaterialien-Verkehrs hinlänglich rentiren könne und werde. Nimmt man aber noch die ausgezeichneten Eigenschaften, welche diese Linie vor allen andern für den Welt- und Personen-Verkehr besitzt, hinzu, so muß sich Jedem die Ueberzeugung aufdringen, daß sie sich, ausgeführt, den bedeutendsten Verkehrslinien Europa’s anreihen werde. Welche andere Linie dürfte sich mit der von uns vorgeschlagenen vergleichen? Welche führt vom Niederrhein, von Emden, von Elberfeld, Hagen und dem unteren Lennethal, auf kürzerem Wege nach Frankfurt? Welche übersteigt nur einen einzigen Geburgsrücken, welche kann mit einem so geringen Anlagekapital hergestellt werden? Die Zickzacklinie durch’s Dillthal gewiß nicht? Welche andere Linie gewährt ferner dem Lennethal, der Gegend von Elberfeld, dem Niederrhein und der Nordsee bessere Gelegenheit in praktische Verbindung mit dem Osten zu treten? Welche bietet der Ueberlandpost zwischen London und Triest eine geradere und kürzere Linie?

Weiter: Diese Eisenbahn mit ihrer Nebenbahn nach Siegen befriedigt nicht nur die augenblicklichen Bedürfnisse der Eisenindustrie des Sieg- und Lahn- und selbst theilweise des Dillthals, sondern sie bietet auch für die Zukunft die Möglichkeit, aus den Gewinnsten die sie abzuwerfen verspricht, oder in anderer Weise, Seitenbahnen nach allen Richtungen anzulegen.

Aus der Nähe der Eder-, Sieg- und Lahnquellen, welche Flüsse bekanntlich in nächster Entfernung von einander entspringen, kann man nach allen Richtungen und unter den günstigsten Steigungsverhältnissen bauen; von hier aus kann man in der Nähe von Sohl, oberhalb der Ebersbacher und Eibelshäuser Hütten- und Hammerwerke über Simmersbach und Herzenhain in den Hauptsitz der nassauischen Eisensteingruben und Hüttenwerke, überhaupt in’s Dillthal gelangen und auf beiden Wegen diesem Thale die Steinkohlenreviere um 5 bis 6 Meilen näher bringen, als durch die projektirte Hauptbahn über Bubach u. s. w.

Noch mehr! Die von uns gewünschte Bahn bietet, in ihrer Eigenschaft als Weltbahn, allein die Mittel, nebst den allgemeinen, die lokalen industriellen Zwecke in genügender Weise zu erfüllen. Sie, und nur sie, wird im Stande sein, Kohlen und Eisensteine als bloße Beigüter zu betrachten und denselben möglichst billige Frachtpreise zu setzen, – was eine Lokal- oder eine auf jenen Verkehr allein angewiesene Bahn selbstredend zu thun außer Stand ist. Hierdurch aber würde sie denjenigen Theil der deutschen Industrie, welche an der Lahn, Sieg, Dill, Ruhr u. s. w. ihren Sitz hat oder noch aufschlagen wird, in den Stand setzen, der englischen und belgischen Concurrenz, welche gegenwärtig, trotz aller Zölle, Deutschland so viele Millionen entzieht, mit solchem Erfolg die Spitze zu bieten, daß sie sich in kurzer Zeit aller Schutzzölle entschlagen könnte. – –

Wir glauben jetzt genug gesagt zu haben zur Empfehlung eines Unternehmens, das sich, nach unserer innigsten Ueberzeugung, in handelspolitischer, nationalökonomischer und örtlicher Beziehung vor allen andern auszeichnet und das, indem es denen, welche es ausführen und concessioniren werden, die nachhaltigsten directen und indirecten Vortheile verspricht – zugleich die Interessen des großen, wie des lokalen Publikums befriedigt. Mögen die Herren Kapitalisten unser Projekt prüfen mit anderen vergleichen und sich dann entscheiden!

Daß die betreffenden Regierungen nur unserm Project den Vorzug geben werden, hoffen wir mit Zuversicht, insbesondere von der Großherzoglich Hessischen, die weiß, daß diese Eisenbahn eine Lebens- u. Sterbensfrage für einen Landestheil des Großherzogthums, das Hinterland mit mehr als 35,000 braven fleißigen Einwohnern, ist. Bei dem in materiellen Fragen so richtig calculirenden und auf das Wohl des Landes so sehr bedachten preußischen Gouvernement, dürfen wir wohl ebenfalls schon in Erwägung des Lokalwerthes der Bahn, eine günstige Neigung für unser Project prognosticiren, denn die Verhältnisse des „Wittgensteiner Landes“, welches durch die Bahn berührt werden würde, ähneln denen des Hinterlandes in vieler Hinsicht. Es besitzt Waldungen, Wasser und Arbeitskräfte in Fülle; es liegt zwischen den großen Eisensteinlagern an den Lahn-, Dill- und Lenne[WS 1] und den Kohlen-Revieren, bietet also ebenfalls die Möglichkeit, große Eisenindustrie-Anlagen zu gründen, da es sich in Zukunft gleich bleiben wird, ob die Eisensteine zu den Kohlen oder diese zu jenen, oder beide in der Mitte zusammengeschafft und verarbeitet werden. Doch mehr noch glauben wir uns dieser Hoffnung hingeben zu können, wenn der Werth der Linie als Weltbahn in Erwägung gezogen wird und hegen insbesondere zur Großh. Hess. Regierung, in deren Hand hauptsächlich[WS 2] die Entscheidung liegt, das gegründetste Vertrauen, daß sie, wie früher beim Bau der Main-Neckar- und der Main-Weser-Bahn auch hier, wo doch die allgemeinen mit den besonderen Landesinteressen in so glücklichem Einklang stehen, diesen allgemeinen deutschen Interessen, welche zugleich hessische sind, Rechnung tragen wird, und glauben namentlich nicht im Irrthum zu sein, wenn wir annehmen, daß auch sie, wie dies von der kurfürstlich hessischen Regierung bereits früher geschehen sein soll, eine Zinsengarantie gewähren werde, ja wir sagen vielleicht nicht zu viel, wenn wir aussprechen, daß sogar ein Antrag auf Herstellung der Bahn auf Staatskosten oder auf Erleichterung des Baues durch Freistellung des Geländes u. s. w. keinen großen Schwierigkeiten begegnen würde.

Aus dem Oberlahnthal im Februar 1852.

J. P. K.     

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Gedruckt bei Leopold Dietzsch in Darmstadt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Handschriftlich zu Sieg geändert.
  2. Vorlage: haupssächlich
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Projekt einer Ruhr-Lenne-(Sieg-)Oberlahn-Eisenbahn, Leopold Dietzsch, 1852, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Project-einer-Ruhr-Lenne-Oberlahn-Eisenbahn_3.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)