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dem Königshofe ist der Königsbrunnen versiegt, das liegt daran, daß ein Lork auf dem Quell sitzt und das Wasser auffängt. Darum muß der Lork gespießt werden und dann wird ein Wasserstrahl so dick wie ein Braukessel aus der Erde hervorspringen.“

So unterhielten sich die drei Thiere bis an den Morgen, dann gingen sie auseinander, nachdem sie beschlossen hatten über sieben Jahre in derselben Nacht hier wieder zusammenzukommen. Nun stieg der Blinde vom Baume, wusch sich die Augen dreimal mit dem Morgenthau und sogleich war er sehend. Dann sammelte er von dem Thau so viel als ihm möglich war in seine hohlen Hände und ging seines Weges weiter zu der nächsten Stadt. Dort fand er noch das Thor verschlossen und weil er ganz nackt war, so hielt die Thorwache ihn anfangs für einen Geist und wollte vor seinem Anblicke entfliehen. Er aber rief ihr zu, daß sie sich nicht fürchten solle; dann offenbarte er dem Soldaten wie es ihm ergangen wäre und der gab ihm ein Gefäß, darein er den kostbaren Thau aus der hohlen Hand schüttete und verschaffte ihm Kleidung, womit er sich bedecken konnte.

So ging er denn also in die Stadt hinein mit dem Gefäß, und suchte alle Blinden auf, die er nur finden konnte, und bestrich ihr Angesicht mit dem Thau, und ein jeder der durch ihn sein Gesicht wieder erhalten hatte, beschenkte ihn so reichlich als er nur vermochte, ja, er mußte ihnen noch wehren, denn die Armen, die durch ihn sehend geworden waren, wollten ihm Alles geben was sie hatten und er bekam reichlich sein Erbtheil wieder und Alles was sein Bruder ihm genommen hatte, und sprach: „Dank ist der Welt Lohn.“

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Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)