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mit Mühe hinübergelangte, war der Rabe schon wieder auf der andern Seite des Wassers, und so ging es eine Weile fort, dabei ließ er den Ring in’s Wasser fallen. Das sah Grafs-Heinrich aber nicht, und weil jetzt der Rabe sich aufmachte und immer in gerader Richtung hinflog, so verfolgte er ihn immerfort, um den Ring der Prinzessin wieder zu erhalten.

Die Prinzessin war aber eine kleine Langschläferin, darum war der Prinz schon lange über alle Berge als sie erwachte. Sie rief wohl mit trauriger Stimme durch die Einöde: Grafs-Heinrich! Grafs-Heinrich! Aber was half’s? Sie mußte sich endlich in ihr Geschick ergeben und baute von den Schätzen, welche die Rosse führten, ein Haus, davor hing sie ein Schild und schrieb daran: Daß hier jedem Kranken, der vorbei käme, unentgeldlich Pflege und Hülfe zu Theil werden solle. Sie dachte ja daran, wie ihr Verlobter jetzt verlassen in der Welt umherzöge, und wie es ihm übel ergehen möchte, wenn er einmal erkrankte.

Dieser aber, nachdem er dem Raben schon lange nachgefolgt, war an eine Räuberhöhle gekommen, da verlor er ihn aus dem Gesicht, aus der Höhle aber stürzten die Räuber hervor, nahmen ihn gefangen, fesselten und banden ihn, führten ihn weit, weit hinweg über’s Meer in ein Land, wo noch die Sklaverei galt, und weil er stark und gesund aussah, so kaufte ihn der König des Landes.

Grafs-Heinrich aß aber sein Brod in dem Sklavenlande mit Thränen, wie auch wir gethan hätten, und in der Nacht stand er schlaflos am Fenster und dachte an die Prinzessin, davon ihn der Rabe entführt hatte. Da

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Heinrich Pröhle: Märchen für die Jugend. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle 1854, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Maerchen_fuer_die_Jugend.pdf/106&oldid=- (Version vom 1.8.2018)