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Was die Behandlung der Märchen von meiner Seite betrifft, so habe ich zunächst viele davon Erzählern jedes Alters und Geschlechts auf meiner Studirstube möglichst wörtlich, jedoch sämmtlich in hochdeutscher Sprache nachgeschrieben. Nachher sodann sind sie von mir wiederholt überarbeitet worden. Wo die Tradition selbst bis auf die Worte hin mit jener gewiß allen Sammlern wohlbekannten Treue und Sicherheit auftrat, von der wir wünschten, daß sie wenigstens einmal im Leben mit ihrem feierlich rauschenden Flügelschlag in das Ohr eines jeden braven und schlichten Deutschen fiele, der ein Herz hat für sein Volk und dessen Vergangenheit - da ist an den Worten wenig oder nichts geändert. Wo aber die Tradition in weniger straffer Form auftrat, was sich beim mündlichen Vortrage sehr bald zeigt, ist am meisten nachgebessert worden. Eben Das, was in solchen Fällen fehlte, ließ sich freilich durch nichts ersetzen. Der Ton, den zunächst die Brüder Grimm in solchen Fällen anschlagen, scheint mir unnachahmlich, schon weil er bei aller Einfachheit doch auf einer vollkommenen Herrschaft über alle Sprachmittel beruht. Die nationale Bedeutung ihrer Sammlung rühme ich schon in dem von mir herausgegebenen „Hausbüchlein für das Volk und seine Freunde“ (Leipzig, 1852), Bd. I, S. 28, aber je öfter ich in ihr lese, um so mehr wächst meine Freude daran. Durch die Sorgfalt, welche Wilhelm Grimm der Sammlung zugewandt hat, ist im Verlaufe ihrer zahlreichen Auflagen kaum noch eine Zeile bedeutungslos geblieben, und sie enthält einen Reichthum an Beobachtungen aus dem Kleinleben in Haus und Hof und in der Natur, den man bei unsern Erzählern von Fach meist vergebens suchen würde. - Eine Art von historischem Romanstil, die in Ludwig Bechstein's

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite X. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_A_010.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)