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Lauter schöne Leut' sein wir,
Lauter schöne Leut'.

Als sie das Lied zum ersten Male in Wien drein sangen, da stand die schöne Kaufmannstochter am Fenster. Die wußte dann alle Drei nacheinander an sich zu locken, zuerst den Goldschmied, sodann auch den Sattler und zuletzt auch noch den Schneider. Einem Jeden nahm sie das Versprechen ab, es nicht einmal seinem besten Freunde zu sagen. Das versprachen sie ihr auch Alle der Reihe nach, und so erfuhr der Goldschmied nicht, daß der Sattler und der Schneider, der Sattler nicht, daß der Goldschmied und der Schneider, und der Schneider nicht, daß der Sattler und der Goldschmied auch mit dem Mädchen bekannt seien.

Nun liebte aber die schöne Kaufmannstochter den Goldschmied am meisten, und weil sein Vater auch ein Goldschmied in Wien war und einen eigenen Laden hatte, so dachte sie auch wol mitunter daran, ihn zu heirathen, wiewol sie viel reicher war als er. Des Schneiders und des Sattlers, die weit her nach Wien hereingewandert waren, wurde sie nach einiger Zeit überdrüßig, und sie beschloß sie noch einmal recht zu quälen und sich ihrer dabei zu entledigen, um den Goldschmied zu heirathen. Den Goldschmied quälte sie auch, aber doch lange nicht so als die beiden Andern.

Eines Abends kam zuerst der Schneider zu ihr, da hatte sie den Kopf in die Hand gestützt und ihre Locken fielen ihr in ihr hübsches Gesicht hinein. Da fragt der Schneider, was ihr denn fehle, sie aber antwortet: er könne ihr nicht helfen. Da erwidert er: warum nicht, was thäte man denn nicht um eines Mädchens halben? Nun denn, sagt sie, so wolle sie ihm Alles gestehen. Sie habe sich dem Teufel ergeben, und müsse um elf Uhr Nachts auf des Bürgermeisters Grabe liegen, da würde sie der Teufel

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_193.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)