Seite:Proehle Kinder- und Volksmaerchen 094.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


29. Das getreue Roß.


Ein König hatte drei Söhne, die sahen einander im Aeußern zum Verwechseln ähnlich. Denen gab er Geld, und damit zogen sie in die weite Welt und übers Meer. Es war aber ein Ungescheuter darunter, der ging in dem fremden Lande vom Wege ab. Da stand er auf einmal vor einem Schlosse, konnte aber nicht ins Thor, denn die Zugbrücke war aufgezogen. Außerhalb der Zugbrücke stand ein alter Pferdestall, und darin war ein altes dürres Pferd, das sprach: er solle ihm doch einmal einen Scheffel Hafer holen, dann würde er auch ins Schloß können. Es hieß ihn den Schlüssel der Vorratskammer des Schlosses von der Wand nehmen, und wie er den herabnahm, entstand ein Donnern. Sogleich ging die Zugbrücke nieder, und der Ungescheute ging ins Schloß, öffnete die Vorrathskammer mit dem Schlüssel und holte dem Pferde einen Scheffel Hafer. Als er den dem Pferde gegeben hatte, ging er wieder ins Schloß, denn die Zugbrücke war noch immer niedergelassen, und das Pferd rief ihm noch nach: er möge es hier draußen nicht vergessen, wenn er im Schlosse etwas Gutes fände. Als er aber in dem alten Schlosse eine wunderschöne Prinzessin findet, geht er mit ihr zum Thore hinaus und denkt nicht mehr an das alte dürre Roß in dem verfallenen Pferdestalle.

Unterwegs fällt es ihm wieder ein, und als er auf einem Kreuzwege seine beiden Brüder trifft, läßt er die Prinzessin bei ihnen und eilt zurück, um das Pferd nachzuholen.

Als er an das Schloß kommt, ist die Zugbrücke wieder aufgezogen, das Pferd steht aber noch in dem alten Stalle.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_094.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)