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er auch glaubt, daß in Norddeutschland der Obstbau nicht, wie in Süddeutschland, mit dem Ackerbaue verbunden oder an Wegen einträglich betrieben werden könne, sondern zu näher zusammenstehenden Obstpflanzungen räth, wie man sie auch in Holland finde, wodurch dort der Obstbau und Obsthandel nach England wohl vorzüglich einträglich geworden sey. Er empfiehlt aus diesem Grunde auch die gemachten Obstpflanzungen, wo es geschehen könne, hauptsächlich an der West- und Nordwestseite mit rasch wachsendem Gehölz zu umgeben, das vorzüglich gegen die oft schon im Juli und August eintretenden Nordweststürme den nöthigen Schutz geben könne, bis die mehr herangewachsenen Obstbäume sich selbst gegenseitig schützen können und dann das wilde Gehölz, um Verdumpfung zu verhüten, gelichtet oder weggehauen werden könne. Mit dieser Behauptung ist eine Frage berührt, die für den Obstbau in Norddeutschland von der eingreifendsten Wichtigkeit ist, und es ganz besonders verdient, daß die Forschungen aller Pomologen sich ihr zuwenden, ja selbst die Regierungen suchen sollten, statistische Nachrichten darüber einzuziehen. Wir möchten glauben, daß die hier gedachte Frage noch sehr disputabel sey, und daß doch auch gar viele Erfahrungen für die Rentabilität des Obstbaus an Straßen und im Felde selbst in Norddeutschland sprechen.

Concipient dieser Anzeige möchte nach seinen Beobachtungen im Hannover’schen und in den Vierlanden geneigt seyn, zu behaupten, daß die in großer Zahl schon an den Chausseen und Wegen, oder sonst freistehend angepflanzten Obstbäume (vorzüglich fanden sich an Wegen Aepfelbäume), die allen Winden und jeder Kälte frei ausgesetzt sind, in gutem, passendem Boden nicht nur kräftiger und gesunder wachsen, als die Bäume in den freilich nur zu oft überfüllten und schon ausgesogenen Obstgärten, sondern auch öfter und reichlichere Erndten gegeben haben, ja in Stürmen, – theils weil sie gesunder sind, theils weil sie weniger Stoß- und Prellwinden ausgesetzt sind, und ihre Zweige sich freier bewegen können, – ihre Früchte fester gehalten haben, als die in Gärten stehenden Obstbäume. Bestimmtere Data in Zahlen habe ich darüber nicht sammeln können, habe auch wenig Gelegenheit zu Beobachtungen in noch größerer Nähe der See gehabt, wo vielleicht die Wirkungen der Winde schon noch verderblicher sind. Wer darüber genauere Beobachtungen sammeln, oder solche vielleicht jetzt schon mittheilen könnte, würde dem Obstbaue Norddeutschlands einen wichtigen Dienst erzeigen, zumal es im Allgemeinen sehr räthlich ist, den Obstbau aus den seit Jahrhunderten für den Obstbaum abgenutzten Gärten, wo es nur geschehen kann, in’s Feld oder wenigstens auf frische Stellen neben den Ortschaften zu verlegen.

Unter den beträchtlicheren Baumschulen führt der Herr Verfasser p. 167 ff. eine Anzahl der ausgezeichneteren an. Die beträchtlichste Baumschule in ganz Deutschland, wenigstens in Norddeutschland, ist vielleicht die neue, seit 1844 gegründete Preußische Landesbaumschule zu Alt Geltow unweit Potsdam, die ein Areal von 160 Morgen besitzt, und außer großen Vorräthen von wildem Gehölze, circa 300,000 Obstbäume heranzieht. Der benutzte Boden, der nur zwei Rthlr. Pacht per Morgen trug, ist sehr mittelmäßig; dennoch wachsen die Bäume darin rasch und kräftig, theils durch vorgängiges Rajolen der zu bepflanzenden Quartiere im September, theils durch die Methode, zwischen die drei Fuß weit von einander entfernten Reihen der Obstbäume rasch wachsende feinere Arten wilden Gehölzes zu pflanzen, das, anfangs von den Obstbäumen geschützt, später diese wieder schützt. Die Obstbäume werden größtentheils bei angewandtem Zapfenschnitte ohne Pfahl herangezogen. Die näheren Angaben über die Einrichtung der Baumschule, die ohne Zuschuß Seitens des Staats besteht, so wie die dort im Großen eingeleiteten Versuche mancher Art, wird Jeder in der Schrift gern nachlesen. – Wenn aber auch die Abthaldensleber Baumschule bei Magdeburg als zweite sehr wichtige Anstalt für Hebung des Obstbaus in Preußen genannt wird, so müssen wir dem, wenigstens was den Werth dieser Baumschule für rationellen Obstbau und die so unentbehrliche richtige Benennung der Obstsorten betrifft, ohne welche der Obstbau stets nur halben Werth hat, entschieden widersprechen. Denn, wenn wir nach dem uns vorliegenden Kataloge dieser Baumschule von 1854 urtheilen dürfen, so ist das Sortiment dort nicht nur verhältnißmäßig arm, so daß viele der werthvollsten, schon länger bekannten Sorten fehlen (wie Engl. Winter Goldparmäne, Carmeliter Reinette, Engl. Königsparmäne, Credes Quittenreinette, Harbert’s reinettartiger Rambour, Grüne Hoyerswerder, Köstliche von Charneu, Herbstsylvester, Winter Nelis, Hardenpont’s Winter Butterbirn etc.), und enthält dagegen manche für unsere Gegenden nicht passende Sorten, als Fenchelapfel

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_204.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)