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des Baumes nothwendige Theile wegnehme (!), auf ihren künftigen Standort versetzen. Sind sie etwas herangewachsen und die unteren Aeste der Krone ziemlich ½ Zoll dick, so soll man nun an diesen durch den Ringelschnitt (wozu er ein eigenes Instrument angibt und abbildet, durch welches beide Schnitte in die Rinde zugleich gemacht werden, und die dazwischen liegende Rinde sich heraushobelt) eine Kreisnarbe erzeugen, und, sowie der Baum in seinem Wachsthum fortfährt, mit den übrigen Zweigen ebenso verfahren. Die durch die Ringelschnitte entstandenen Wunden soll man nicht offen lassen, sondern einen durch Wachs gezogenen und mehrmals zusammengelegten, baumwollenen Faden in denselben herumlegen, über dem nachher die Rinde überwächst. Durch dieses Ringeln sollen die Bäume nicht nur für immer fruchtbarer, sondern die Früchte derselben auch bedeutend größer und besser werden, die an unveredelten Sämlingen sonst allerdings kleiner und von geringerer Güte, als an Edelstämmem ausfallen würden. Der Verfasser stützt sich dabei auf Erfahrung und auf die Ansicht der neueren Pflanzenphysiologen[1], daß der Rohsaft, wie ihn die Wurzel einsauge, im jungen Holze zu den Blättern emporsteige, und dort, geläutert und mit neuen Stoffen versehen, als Edelsaft in der Rinde wieder herabgehe und überall das Wachsthum bewirke. Durch die Kreisnarbe werde nun der Edelsaft auf seinem Wege aufgehalten und umso mehr genöthigt, durch die Seitengefässe (Spiegelfasern, auch Rindenfortsätze genannt) wieder in die aufsteigenden Kanäle zu treten, eine zweite Läuterung in den Blättern zu durchgehen, und so immer geschickter zur Erzeugung großer und schmackhafter Früchte zu werden. Da noch immer ungeringelte Zweige übrig blieben, die ihren Edelsaft der Wurzel zu deren Vergrößerung zusenden könnten, so werde durch das Ringeln das Wachsthum der Bäume durchaus nicht gehemmt, vielmehr seyen die so behandelten Stämme stark gewachsen und hätten jährlich voll getragen, während dabei stehende veredelte zurückblieben. Ueberhaupt ist auch Heusinger der Meinung, alle Krankheiten und Mängel unserer Obstbäume seyen nur Folge der Veredlung.

Gegen die bisher vorgetragenen Ansichten, die indeß die Anzucht veredelter Bäume doch nicht verdrängen konnten, welche selbst van Mons neben seinen Kernzuchten beibehielt, wurde, so viel mir bekannt ist, nur gelegentlich oder partiell manches sehr Begründete eingewandt. In England schrieb gegen die Theorie Knights vorzüglich Williamson[2], der Krankheiten und Unfruchtbarkeit der Obstbäume in einem seit längeren Jahren kälter gewordenen Klima, vorzüglich aber darin sucht, daß man die zu veredelnden Wildlinge nicht mehr aus Holzapfelkernen, sondern aus Edelkernen erziehe; und unter uns erklärte sich Diel

etwa ebenso[3]. Wir wollen daher die


  1. Man sehe hierüber z. B. die Preisschrift von Cotta: Naturbeobachtungen über die Bewegungen und Funktionen des Saftes in den Gewächsen, Weimar 1806[WS 1], – sowie die interessanten Versuche[WS 2] Knights in Treviranus Beiträgen zur Pflanzenphysiologie[WS 3]; auch spätere Schriften. – Ueber die Operation des Ringelns hat bekanntlich Pfarrer Hempel zu Zedlitz ein eigenes kleines Werk geschrieben: „der pomologische Zauberring“[WS 4] etc.
    Ob.
  2. Transactions of the Horticultural Society. Vol. VIII. 1820. p. 291. Außer ihm haben auch in England manch Andere, z. B. Speechly[WS 5] sich gegen Knights Theorie erklärt.
  3. Siehe Vorrede zum 21. Hefte seiner Obstbeschreibungen und Vorrede zu der ersten Fortsetzung

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Heinrich Cotta: Naturbeobachtungen über die Bewegung und Funktion des Saftes in den Gewächsen, mit vorzüglicher Hinsicht auf Holzpflanzen. Hoffmannische Buchhandlung, Weimar 1806 Internet Archive
  2. Vorlage: Versuche fehlt (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
  3. Lud. Christ. Treviranus: Beyträge zur Pflanzenphysiologie. Heinrich Dieterich, Göttingen 1811 MDZ München
  4. Georg Carl Ludwig Hempel: Der pomologische Zauber-Ring, oder: das sicherste Kunstmittel die Obstbäume zum Fruchttragen zu zwingen. 2. Auflage. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1820 Google
  5. Vorlage: Speciety (vgl. Anzeige von Druckfehlern)
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_180.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)