Seite:Pomologische Monatshefte Heft 1 152.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

seyn, der erst im Februar genießbar wird, so muß er Blätter und Zweige einstweilen bis dahin aufheben, um dann darüber entscheiden zu können, in welchem von den 15 verschiedenen Feldern er zunächst nach dem verlangten richtigen Namen seiner Frucht nachzuschlagen habe. Ob nun aber das Blatt eines Apfelbaumes wollig oder nur behaart, ob ein Apfel als gerippt oder nicht gerippt zu betrachten, ob sein Fleisch locker oder fest, seine Schale einfarbig oder mehrfarbig sey, darüber werden selbst geübte Pomologen, wenn die Prüfung zumal zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Exemplaren derselben Obstsorte geschieht, sehr oft verschiedener Meinung seyn, und es müßte in der That als ein außerordentliches Glück betrachtet werden, wenn ein schlichter Obstfreund in einer dieser Entscheidungsfragen nicht fehl griffe und gleich Anfangs die richtige der 15 Hauptgattungen träfe. Nur einige Belege für die hier obwaltende Schwierigkeit! So führt unser Verfasser den Danziger Kantafel unter Nr. 104. als einen deckfarbigen Calvill und die beiden ihm jedenfalls höchst ähnlichen und sehr wahrscheinlich mit ihm identischen Rosenäpfel, nämlich der Calvillartigen Winterrosenapfel (Nr. 467.) und Dittrich’s Winterrosenapfel (Nr. 484.) unter den rundlichen deckfarbigen Rosenäpfeln auf. Nun mag zwar der Verfasser die von den tüchtigsten Pomologen anerkannte Identität dieser drei Apfelsorten in Abrede stellen, das aber kann er auf keinen Fall läugnen, daß dieselben einander so ähnlich sind, daß selbst anerkannte Pomologen[WS 1] über ihre Identität schwanken. Wie soll nun aber der Nichtpomolog diese Früchte so gut zu unterscheiden vermögen, daß er die eine in Dochnahl’s systematischer Beschreibung richtig unter den Calvillen und zwar in Gattung 3, Rotte 3, und die beiden andern richtig unter den Rosenäpfeln und zwar in Gattung 7, Gruppe 2, Rotte 3. gehörig aufzufinden im Stande wäre? – Mir scheint dies jedenfalls ein Beweis der kaum zu vermeidenden Willkürlichkeit in der systematischen Zusammenstellung. Deßgleichen vermag ich auch den Gräfensteiner und den Sommerkönig ebensowenig von einander zu unterscheiden als Oberdieck. Unser Verfasser führt aber den erstern Nr. 78. unter den zweifarbigen Calvillen (Gattung 7, Gruppe 2, Rotte 1.) auf, während der zweite unter Nr. 423. unter die einfarbigen, runden oder platten Rosenäpfel gestellt ist. Den Schönen aus Westland aber (Nr. 642. und den Süßfranken 769 und 770., denn diese beiden sind identisch) würde ich wenigstens niemals, wie Dochnahl thut, unter die Reinetten rechnen, da sie offenbar nichts als rostlose Süßäpfel sind und der S. 123. von ihm an die Spitze der Reinetten gestellten Charakteristik keineswegs entsprechen. Dabei verkenne ich keineswegs die großen Schwierigkeiten, mit welchen der Verfasser bei der Aufstellung und Durchführung seines Systems zu kämpfen hatte. Diese werden sich aber auch mit verstärkter Gewalt denen entgegenstellen, welche sein Werk zur Orientirung der Obstwelt benutzen wollen. Kurz Dochnahl’s System weicht von allen bisherigen Zusammenstellungen um bloßer botanischer Abstraktionen willen entschieden ab, reißt oft das in der Natur nah zusammenhängende, wegen der blos angenommenen aber keineswegs bewiesenen Abstammung von ebenfalls nur angenommenen Urarten weit auseinander und führt dagegen andere sehr verschiedenartige Früchte in eine Gruppe zusammen. Es ist nicht durch fortschreitendes Zusammengruppiren des Verwandten und Aehnlichen von unten herauf gebaut, sondern es hat mit einem kühnen Griff zuerst ein logisches Fachwerk aus den hypothetischen Urarten der Aepfel errichtet, um darin dann die als Nachkommen derselben angenommenen Apfelsorten unterzubringen. Mir würde daher diese reiche und fleißige Sammlung von 1263 Apfelsortenbeschreibungen weit brauchbarer erscheinen, wenn die Zusammenstellung derselben statt nach diesem neuen botanischen System, lieber nach dem einfachen, übersichtlicheren, und sich an das Bisherige weit besser anschließenden Lucas’schen System[1] geschehen wäre, so gern ich auch zugestehe, daß die Neuheit und Ungewohnheit dieser Anordnung einigen Theil an der mir vielfach darin entgegentretenden Unbequemlichkeit desselben haben möge.

Was nun aber die Beschreibungen selbst anlangt, auf deren Beschaffenheit, sobald man sie nur erst glücklich aufgefunden hat, es doch bei Bestimmung einer einzelnen Obstsorte wesentlich ankommt, so sind diese den besten pomologischen Schriften entnommen und zeigen durchgehends die Kürze und Bündigkeit eines Pomologen, der seiner Sache wie der Sprache mächtig ist.

Prof. Ed. Lange.



  1. Es ist dieses kein neues System, sondern nur eine etwas genauere und bestimmtere Anordnung des Diel’schen.
    Ls.

Verantw. Red.: Ed. Lucas in Hohenheim. – Stuttgart, Verlag von Franz Köhler; Druck von E. Greiner.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pomolgen
Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_152.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)