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die Veredlung keinesweges der Gesundheit und Lebensdauer der Bäume zuträglich sey, räth auch sehr, Versuche zur Gewinnung neuer Früchte aus Kernen zu machen, und sich dazu selbst der künstlichen Befruchtung zu bedienen, – ein Rath, der damals, wo es noch für manche Jahreszeiten an guten Sorten sehr fehlte, höchst nützlich war und die schönsten Früchte getragen hat. – Ihm selbst sey nur ein Versuch, Birnen unveredelt zu erziehen, bekannt, der aber wegen schlechten Bodens keinen erwünschten Erfolg gehabt habe; doch kenne er viele Stämme von Steinobst und besonders von Pfirsichen, die ganz vorzüglich durch die Aussaat fortgekommen seyen, obgleich einige ganz schlechte unter ihnen gewesen wären; auch zeigt er auf Nordamerika und Chili hin, wo nach neueren Nachrichten, (Schriften der naturforschenden Freunde in Berlin, II. pag. 367. und Molinas Naturgeschichte von Chili, übersetzt von Brandes, 1786. p. 167.) nicht nur höchst zahlreiche Spielarten unserer Obstfrüchte entstanden seyen, sondern sich unter diesen auch äußerst viele finden sollten, die unseren besten Früchten an Güte nichts nachgeben.

Ganz entgegengesetzter Meinung ist Homeyer, dessen Schrift jedoch sehr unwissenschaftlich ist. Er glaubt, daß es unter unsern Obstsorten eine gute Anzahl edler Muttersorten geben müsse, die von Anfange an in irgend einem Lande da gewesen wären, und behauptet, daß man jede Obstsorte durch den Samen in unveränderter Gestalt und Güte fortpflanzen könne. Die Natur habe so gut tausend, als eins geschaffen, und wenn im Anfange nur der wilde Birnbaum und Holzapfel da gewesen wären, wo dann der Samenstaub zu der ersten Spielart hätte herkommen sollen? (An den Einfluß der Kultur denkt er nicht.) Dürfe man nach der Analogie schließen, so sey der Einfluß einer fremden Bestäubung bei Obstbäumen sogar in Zweifel zu ziehen, indem wohl Blumen und Kohlarten eine solche annähmen, aber in den Wäldern von Sommer- und Wintereiche, Tanne und Fichte keine Bastarde entständen. Zudem habe noch Niemand erwiesen, daß, wenn man den Samen irgend einer guten Obstsorte säe, daraus wirklich eine verschiedenere oder schlechtere Sorte entstehe; alle Schriftsteller, die davon redeten, sprächen immer nur von „man sieht“ und „es pflegt“, hätten aber keine eigene Erfahrung, und bis das Gegentheil bewiesen werde, müsse darum auch hier das Naturgesetz gelten, daß Gleiches Gleiches hervorbringe. – Die Erfahrungen, auf welche Homeyer seine Ansichten stützt, sind höchst unbedeutend; er bezieht sich auf einen Birn- und Apfelsämling in seinem Garten, die nur wegen des schlechteren Bodens etwas kleinere Früchte getragen hätten; sagt, daß sowohl er, als nach Nachrichten im Hannover’schen Magazine von den Jahren 1791–94, auch Andere, gute und große Pfirsiche aus Kernen erzogen hätten, und führt eine in Ehrhardt’s Beiträgen zur Naturgeschichte (St. 6, Seite 148.) enthaltene Nachricht des Gartenmeisters Kranz zu Celle an, der ein Beet Apfelwildlinge als Hecke aufwachsen ließ, wozu man die Kerne aus Aepfeln genommen hatte, die als Ausschuß getrocknet werden sollten, und auf dem die jungen Stämme hernach Rambours, Peppings, Reinetten, also eben solche, auch eben so gute Früchte getragen hätten, als die, deren Früchte man gesäet habe.

Entschieden diese Schriften gleich wenig zum Vortheile der Anzucht unveredelter Sämlinge, so wurden sie doch Ursache, daß

Empfohlene Zitierweise:
Ed. Lucas, J. G. C. Oberdieck (Hrsg.): Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau I. Franz Köhler, Stuttgart 1855, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pomologische_Monatshefte_Heft_1_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)