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§. 37.

Was sie treibt, muss ein Transzendentales sein. Denn innerhalb der Welt der Erscheinungen sind sie unverständlich. Es handelt sich durchaus nicht um sogenante Lauterkeit oder Unlauterkeit der Motive, sondern um psichischen Zwang. Die Moral ist etwas Hiesiges, der Welt der Erscheinungen Angehöriges. Der Dämon etwas Jenseitiges und rein Dinamisches. Obwohl die Welt der Erscheinungen und sonach auch die Moral, in lezter Linie Ausfluss des Dämonischen, der lezten Causa ist, so wäre doch ein Versuch, moralische Prinzipien, als eine Ordnung der Erscheinungswelt, auf das Urprinzip, den Dämon anzuwenden eine rükläufige Bewegung, die, wie wir gezeigt haben, ein Unding ist; da die Richtung von Innen nach Aussen, von der Causa zur Erscheinung, von der zentralen Erregung zum Wahrnehmungsbild, wie bei der Halluzinazion, nicht umgekehrt geht. Die Anwendung von Moral auf reine Triebmenschen ist daher ein Unding und kann nur von Plattköpfigen versucht werden, die von der elementaren Wirkung des Dämonischen keine Vorstellung haben. Ein Luther, ein Savonarola, ein Sokrates ist ohne psichischen, elementaren Zwang undenkbar; weil im Vergleich zu dem von ihnen Geforderten die Summe der Widerstände in der Welt der Erscheinungen zu gross war, als dass sie vernünftigerweise, sie als Erscheinungsmenschen genommen, die Forderung wagen konten. Ohne seine Inspirazion ist Mahomed ohnmächtig, Luther ohne seinen „Gott“ ein Augustiner-Mönch, der sich unterwirft, Sokrates ohne seinen Dämon ein Sofist und Denkschonglör, wie Tausend Andere; jeder Künstler, jeder auf „Eingebung“ hin Schaffende, ohne seinen Einfall ein gewöhnlicher Mensch, wie die Andern auch; denn sein Horchen und Warten auf die Stimme, den Einfall, die Erleuchtung, externalisirt ihn von der Erscheinungswelt und macht ihn zu einem weltfremden Geschöpf. – Da wir nun bei einem Sokrates, einem Savonarola, den Erfolg, die Tat, die die Welt um ein Stük weiterrükte, im Bereich der Erscheinungen unter allen