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Walther Kabel: Originale unter den nordamerikanischen Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 3, S. 206–208

Kurz vor seinem Rücktritt gab dieses Original noch eine Gesellschaft, zu der jeder Geladene sein eigenes Messer mitbringen mußte, um sich selbst ein Stück von dem auf der Tafel aufgestellten Riesenkäse abschneiden zu können. Bei diesem „Käsefest“ wurden nur noch dicke Brotschnitten und – Schnaps in Flaschen gereicht!

Eine ähnliche Figur war Andrew Johnson, der siebzehnte Präsident. Er war zuerst Schneidergeselle und erhielt von seiner Frau Unterricht im Lesen und Schreiben. Doch bald nahm er lebhaften Anteil an der Politik, und Glück und diplomatisches Geschick brachten ihn schnell vorwärts. Als Präsident war er bestechlich, liebte zweifelhafte Gesellschaft und ebensosehr den Trunk. Bei seinen Agitationsreden passierte es ihm des öfteren, daß er umfiel und fortgeschafft werden mußte. Bezeichnend für seine Unsauberkeit ist es, daß nach seiner Amtszeit das Weiße Haus erst von Ungeziefer gereinigt werden mußte.

Der damalige englische Gesandte in Washington, Lord Walser, stand sich mit Johnson so schlecht und hatte so häufig ernste Konflikte persönlicher Natur mit ihm, daß er schon mehrmals bei seiner Regierung seine Abberufung beantragt hatte, jedoch stets vergebens. Da schickte er eines Tages einen neuen Abberufungsantrag nach London, und in einem besonderen Umschlag fügte er ein Papptäfelchen bei, auf dem drei nicht näher zu bezeichnende Tierchen in breitgedrücktem Zustande aufgeklebt waren. Darunter standen die Worte: „Dieses Ungeziefer ist einem englischen Lord bei seinem letzten Besuche beim Präsidenten Johnson auf den Rock gekrochen.“ Die Königin Viktoria von England soll diesen augenscheinlichen Beweis von der Berechtigung des Antrages ihres Gesandten herzlich belacht haben. Lord Walser wurde darauf in der Tat abgelöst.

Am 5. März 1877 wurde General Burchard Hayes Präsident, ein Mann, der sich nur von einer einzigen Person beeinflussen ließ – von seiner Frau. Hayes war tatsächlich der vollkommenste Pantoffelheld. Noch als Bräutigam hatte er einen guten Tropfen sehr geliebt, aber als Ehemann trank

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Walther Kabel: Originale unter den nordamerikanischen Präsidenten. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Bd. 3, S. 206–208. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1911, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Originale_unter_den_nordamerikanischen_Pr%C3%A4sidenten.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)