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die Lauterbach, und fliesst, einige Mühlen treibend, an Lautern vorbei, nach Reichenbach hinab, wo sie einen kleinen, unweit Beedenkirchen entspringenden Bach aufnimmt. Zu beiden Seiten des Thales erheben sich oberhalb Reichenbach zwei mässige Berge, auf deren Höhen zwei mächtige nackte Quarzfelsen, gleich darauf erbauten Burgen, emporstehen. Sie heissen der Hohenstein und der Porstein. Der letzte Name ist vielleicht aus Emporstein entstanden. Bei der Verwitterung der sie umgebenden nähern Felsarten, sind diese Quarzmassen allein stehen geblieben. In dem zwischenliegenden Thale soll ehedem auf Kupfer gebaut worden sein; und diese Sage bestätigt die Thatsache, dass wir selbst in der Nähe von Reichenbach in einem angefangenen Steinbruche sehr schöne mit Kupfergrün durchzogene Quarzstücke fanden. Vor einigen Jahren verbreitete sich das Gerücht, man habe in der Nähe Spuren von Steinkohlen gefunden; allein es hat sich, wie zu vermuthen war, nicht bestätigt.

Das Dorf Reichenbach ist sehr alt; denn unter dem in der Heppenheimer Markbeschreibung vorkommenden Reonga ist wohl kein anderes, als dieses zu verstehen.

Beinahe nordwestlich von diesem Dorfe erhebt sich der Felsberg. Obgleich er von dem Thale aus wie ein unzugänglicher Riese erscheint, führt der Pfad doch keineswegs allzu steil hinauf, und das dort befindliche Felsenmeer, die Riesensäule und die freie Aussicht auf dem Gipfel belohnen für die kleine Anstrengung des Weges. Ehe der Pfad sich in den Schatten des Waldes verliert, schaue man zuweilen nach dem Thale zurück, und man wird Reichenbach an mancher Stelle einem Schweizerdorfe vergleichen. Etwas über der Mitte der Höhe finden wir links vom Pfade das Felsenmeer. Nicht mit Unrecht hat man ihm diesen Namen gegeben. Scheint es doch, als wäre ein herabbrausender Strom aufgeregter Meereswellen plötzlich zu Stein erstarrt. Grosse, wild über einander geworfene Granitblöcke füllen in ziemlicher Breite, wie das Eis und die Lawinen eines Gletschers, die steil herabziehende Bergschlucht. Ist der Anblick von der Seite schon grossartig, so erscheint er für den um so grossartiger, der es wagt, bis in die Mitte des Stromes über die zum Theile glatt abgerundeten Granitblöcke hinaus zu gehen, und von hier dem Strome entgegen, nach der Höhe hinan zu schauen. An manchen Punkten

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Albert Ludwig Grimm: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes in ihrer Vorzeit und Gegenwart. Darmstadt: Carl Wilhelm Leske, 1843, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Odenwald_(Grimm)_045.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)