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mehr als auf Türkische Art geknebelt, nackend an heisse Oefen angebunden, aufgehenkt, mit Wasser und Pfuhl, so sie den Leuten mit Zübern in den Hals geschüttet, und mit Füssen auf die dicken Bäuche gesprungen, welche barbarische Tränkung der Schwedische Trunk genannt worden (nicht dass ihn die Schweden allein gebraucht, sondern vielmehr, weil die Kaiserlichen den gefangenen Schweden oder sonst den Schweden zugethanenen Personen also einzuschenken pflegten). Um solcher Tyrannei willen, und weil keine Lebensmittel auf dem Lande waren, wurden alle Dörfer, nicht eines ausgenommen, von allen Einwohnern verlassen. – Lichtenberg, Rüsselsheim und Otzberg blieben allein salvirt, wurden aber dermassen von beiden Partheien geschätzt und bedrängt, dass sie doch allen Vorrath herauslangen mussten. – Viele verkrochen und versteckten sich zwar in die Wälder, Höhlen, Klippen etc., wurden aber ausgespürt, denn die Soldaten hatten bei sich menschenspürige Hunde, welche, wenn sie an Menschen oder Vieh kamen, mit ihrem Bellen solche verriethen, und den Räubern Anzeige gaben. Darum floh alles auf die Schlösser. Da lagen alle Gassen, Höfe und Winkel voller Leute, besonders zu Lichtenberg, welches ein klein Behelf, und derselben auch viele im Regen, Schnee und Kälte, theils in Fässern und Bütten lagen. Die Stuben waren Winterszeit so voll, dass wegen der Menge keines sitzen, sondern dicht in einander stehen mussten. War ein gross Jammer und Elend anzusehen, zu geschweigen selbst mit darin begriffen sein.“

Im folgenden Jahre versuchten Manche wieder von Lichtenberg nach ihren Wohnungen zurückzukehren. Die Soldaten kannten in der allgemeinen Noth aber kein Mitleid, keine Barmherzigkeit. Sie rissen die Kranken aus ihren Betten, und drängten sie um Verrath ihrer verborgenen Habe oder um Brod.

Als Graf Gallas im Jahr 1637 den Befehl gegeben hatte, das Darmstädtische Gebiet mit Plündern und Durchmärschen zu verschonen, wurde erst wieder an die Bestellung der Felder gedacht. Man borgte das Saatkorn, und versprach bis zur Erndte für ein Malter den Betrag von zwei Maltern, nach den Preisen der Hungerjahre in Geld zu bezahlen, so dass das Malter Korn zu 32 fl. und die Gerste mit 24 fl. bezahlt werden musste. So borgte in jener Hungerzeit, die wir mit Rücksicht auf den damaligen Werth

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes in ihrer Vorzeit und Gegenwart. Darmstadt: Carl Wilhelm Leske, 1843, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Odenwald_(Grimm)_038.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)