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Fragen wir aber nach dem Grunde, der die siegenden Legionen der Römer bestimmte, sich in diesen Waldgegenden, die einen Theil des ihnen so furchtbaren Herzynischen Waldes ausmachten, niederzulassen, so müssen wir uns zu Beantwortung dieser Frage auf den Gesichtspunkt stellen, aus welchem der Krieger diese Sache betrachtet.

Wenn sich die Römer in dem diesseitigen Rheinthale bis zur Mündung des Maines hinab in ruhigen Wohnplätzen fest setzen wollten, so mussten sie sich durchaus von der östlichen Seite gegen Einfälle und Angriffe zu sichern suchen. Aus den zahlreichen sich nach der Bergstrasse und dem Neckar ausmündenden Thälern, aus den dunkelnachtenden Urwäldern konnten sie jeden Augenblick von den Deutschen überfallen werden, und dorthin konnten diese sich immer schnell wieder zurückziehen, und dem Feinde, der sie zu verfolgen wagte, verderblich werden. Hat ja doch sogar in neuerer Zeit der odenwäldische Landsturm, unterstützt von einigen Szekler Husaren, den Franzosen im Jahre 1799 durch seine Ausfälle aus dem Weschnitz- und Gorxheimer Thale manche kleine Schlappe zugefügt, und sich immer wieder in die Thäler zurückgeflüchtet, ohne dass es die Franzosen gewagt hätten, sie weiter, als bis in die Eingänge dieser Thäler, zu verfolgen.

Die kriegskundigen Heerführer der Römer besetzten und befestigten darum die ganze Linie von dem Ausflusse der Mümling in den Main oberhalb Obernburg bis nach Schlossau in der Gegend von Mudau, von wo aus sich die befestigte Linie wahrscheinlich mit der durch das Hohenlohische gegen die Donau laufenden Befestigungslinie in Verbindung setzte. Man findet noch Reste Römischer Bauwerke, die unbezweifelt dazu gehörten, auf und an dem Bergrücken, der das Gebiet der Mümling als Wasserscheide auf der rechten Seite begränzt, an vielen Stellen, namentlich bei Lützelbach, Vielbronn, dem Eulbacher Hofe, Wirzberg, Hesselbach und Schlossau. Auch erkennt der Kundige in der s. g. „hohen Strasse“ die Reste einer Römischen Militärstrasse, die sie zur Verbindung der mit Besatzung belegten Punkte ihrer Festungslinie angelegt hatten. Ausserdem hat man schon an vielen andern Orten innerhalb dieser Linie Gräber, Inschriften und andere Beweise des Aufenthaltes der Römer aufgefunden. Selbst manche Benennungen deuten noch darauf hin. So heist z. B. ein Thälchen, welches

Empfohlene Zitierweise:
Albert Ludwig Grimm: Die malerischen und romantischen Stellen des Odenwaldes in ihrer Vorzeit und Gegenwart. Darmstadt: Carl Wilhelm Leske, 1843, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Odenwald_(Grimm)_006.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)