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stellt in der That etwas vor; der Bauer in blauem, rothgefüttertem Rocke, unterm Dreispitz, am langen Stocke nicht minder. Bei alten Waldbauern sieht man noch manchmal den runden Schlapphut. In und um Kirchenkirnberg jedoch ist die Kleidung schlecht, meist von rauhem Linnen und nur Sonntags theilweise Wollentuch. In Lorch, wo wenige Bauern, ist die Tracht meist städtisch; in den übrigen Thalorten dagegen trägt der Mann an Werktagen Wamms und Beinkleider von Linnen, Sonntags aber einen blauen Rock mit vielen großen weißen Knöpfen, schwarze Weste meist von Manchester mit zahlreichen runden, weißen Knöpfen (in früherer besserer Zeit aus Silbermünzen bestehend), schwarze, kurze Lederhosen, statt deren die Jüngeren lange Tuchbeinkleider tragen, mit Stulpstiefeln. Manche tragen noch rothe Tuchwesten, auch Wämmser, oder schwarze, blaugefütterte Leinwandröcke. Hier wird der dreieckige Hut schon so getragen, daß seine Schaufel das Gesicht bedeckt. Blau und Schwarz sind die Hauptfarben, auch der weiblichen Tracht; zum dunkeln Kleide kommt an Festtagen noch ein weißes Halstuch. Doch liebt die Jugend an Schürzen und Tüchern helle und bunte Farben.

Von besonderen Sitten und Gebräuchen heben wir noch folgende aus:

Hie und da, z. B. auf der linken Hochebene des Remsthales, kommt noch das Spiel des „Pfingstlümmels“ vor, wobei ein in Tannenreiser und andere Zweige eingehüllter Knabe von zwei andern in der Nachbarschaft umhergeführt wird, Geschenke eingesammelt werden u. s. w. Offenbar heidnischen Ursprungs (s. J. Grimm, deutsche Mythologie 440, 452, 455 etc.). An den Pfingsttagen gehen die ledigen Bursche überall mit neuen Peitschen aus dem Dorfe, um ein länger anhaltendes, taktmäßiges Knallen zu beginnen. In der Nacht vor dem 1. Mai pflanzen die Bauern auf dem Walde von Welzheim und Gschwend auf der Miststätte vor jedem Hause ebenso viele Tannenbäume als Pferde, und ebenso viele Birkenstauden, als Stücke Rindvieh im Stalle sind, auf; was Prescher (in Gräters Bragur VI. 1. 121) auch für einen Überrest heidnischer Götterverehrung hält. Ferner ist das Eierlesen, früher in einigen Orten zu Pferde, allgemein und hat sich in Waldhausen als Jugendfest erhalten. Am Donnerstag vor dem Christfest ferner wird (z. B. um Lorch) eine junge, schwarze Henne eingeschläfert und auf den Boden gelegt, indeß sich junge Leute in einem Kreise versammeln und ihr Erwachen erwarten. Verläßt sie nun den Kreis, so wird angenommen, daß diejenigen, zwischen welchen sie weggeht, im Laufe des Jahrs heirathen; verunreinigt sie aber die Stelle, an welcher ein Mädchen sich befindet, so gilt es als ein Zeichen, daß dasselbe demnächst unehlich niederkomme. Gefallene Mädchen dürfen

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Welzheim. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 042. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Welzheim_042.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)