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Winter, vom fernen Filial zur Taufe in die Mutterkirche getragen wird, bleibt er auf der Backmulde am glühendheißen Ofen liegen, bis Gevatterleute und Hebamme satt gegessen und getrunken haben; darum sind auch schon Kindlein aus dem Kissen (einem Kopfkissen, in welches der Säugling gebunden ist) verloren, doch wieder gefunden worden. Mit der Taufe tritt zwischen dem Taufzeugen und Päthchen ein ungemein inniges, auf das ganze Leben sich erstreckendes, Verhältniß ein. Die Todten werden reichlich „beweint;“ eine Leiche kann einen Hofbauer bei hundert Gulden kosten, und darum sind auch die Geleite in diesen großen Pfarreien sehr zahlreich. Die Hochzeiten aber können mehrere Tage lang zu Zechgelagen Anlaß geben. Zuerst wird die Hochzeit mit dem Wirthe verabredet: für die Nächstbetheiligten die erste Zeche; dann 2–3 Hochzeittage mit Tanz und Spiel. Es ist auf der Höhe des welzheimer Waldes nicht eben etwas Übertriebenes, hiebei ein Dutzend Mastschweine, etliche Kälber und Rinder als Wurstzulagen, 10–12 Eimer Wein und für 80 bis 90 fl. „Mütschelen“ aufgehen zu sehen; dann was der Bauer von 4–6 Pfd. Braten, die ihm nach „Voressen“ in saurer Brüh und nach Rindfleisch zum Reis (Suppe) aufs Sauerkraut neben Blut-, Brat- und Leber-Würsten gelegt worden, übrig hat, nimmt die Bäuerin im Ridicül – in einer Art Kissenüberzug – mit heim, und sie kann’s ordentlich zurecht legen auf dem Wägelen, bis „ihr Bauer“ (d. h. ihr Mann) die letzte Bouteille Ehrentrunk auf dem Sitz unter Musik und Glückwunsch geleert hat. Dem Feste folgt der Abrechnungstag mit dem Wirthe: wieder ein besonderer Zechtag. Freilich die große Hochzeit hält nur der Bauer; aber diese ist Ostentation des Vermögens, der Freundschaft und öffentlichen Geltung. Jeder zehrt dabei auf seine Kosten mit Weib und Kind, die Ledigen abermals für sich selbst, und schon wenn der Bräutigam sammt Hochzeitläder mit Degen und Blumenstrauß, oder (im Thale) die Braut mit einer Brautjungfer, ein weißes Sacktuch in der Hand, kommt, ist in dem, in der ganzen Gegend üblichen, Einladungsspruch auf diese Vergeltung von Glanz und „Ehre“ hingedeutet: „Was auser Begehr isch, würdt Euch schau bekannt sey. d’Hauzig isch nächsta Deistig im Steara – kommat in d’Kirch; im Steara werdet Ihr finda, was euser[ws 1] Begehr isch; ’s soll Elles reacht werda und mer wellat d’Ehr au schau wieder wett macha.“ In jedem Hause wird ihnen der Brodlaib dargeboten, von dem sie eine Schnitte abnehmen und von den so gesammelten Schnitten hernach eine Suppe bereiten, welche die Brautleute mit ihren nächsten Angehörigen verzehren. Sie essen im Wirthshause mit neuen Löffeln, die von da an ihr Eigenthum bleiben. Braut und Brautjungfern tragen überall hohe, kronenartig gestellte, Aufsätze auf den Köpfen,


Anmerkungen [WS]

  1. Korrektur nach Beschreibung des Oberamts Hall S. 327: S. 38, Z. 8 v. u. ist statt Euer – euser, d. h. unser – zu lesen
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Welzheim. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 038. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Welzheim_038.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)