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Der Verlust der Stadt, d. h. wohl des städtischen Ärars, in diesem schauerlichen Kriege wurde auf 3.340.350 fl. berechnet.

Kurz war die Ruhe; die Einfälle der Franzosen und das Erscheinen Melac’s 1688 brachten die Stadt noch weiter zurück. Den Hauptschlag aber versetzte ihr der Spanische Successionskrieg, in Ulm unter dem Namen des „Bayerischen Einfalls“ bekannt, weil er die Stadt durch eine Überrumplung in Bayerische Hände brachte. In seinem unnatürlichen Bunde mit Frankreich gegen Kaiser und Reich war Bayern Alles an Ulm und der festen, militärischen Position, die es darbot, gelegen. Es beschloß daher, die Stadt durch einen Überfall zu gewinnen, und dieß war auch um so leichter, als die Stadt ihre Truppen an den Rhein geschickt hatte und von allem Kriegsbedarf entblößt war. Zur Ausführung des Plans ward der bayerische Oberstlieutenant Bechmann ausersehen; unter dem Vorwande, das Griesbad zu gebrauchen, begab sich dieser in die Stadt und spähte die schwächsten Punkte der Befestigung aus. Als ein solcher wurde von ihm das Gänsthor erkannt.

In der Nacht vom 7. Sept. 1702 setzte sich ein bayerisches Corps in dem benachbarten Gänshölzlein, der jetzigen Friedrichsau, in Hinterhalt. Etwa 40 Offiziere verkleideten sich als Bauern, und begaben sich mit Körben, worin sie Marktwaaren trugen, am frühen Morgen nach der Stadt, überfielen und tödteten die Wache am Gänsthore und besetzten die von Bechmann bezeichneten Punkte. Schnell eilte darauf ein bayerisches Dragoner-Regiment, wovon jeder Reiter einen Grenadier hinter sich auf dem Pferde hatte, aus dem Gänshölzlein herbei und drang in die Stadt ein, andere Truppen folgten nach.

Eine Schildwache der Stadt, welche den Verrath gewahrte, gab Feuer auf Bechmann, und schlug ihn, als er auf sie lossprang, zu Boden. Auf den Ruf Bechmanns, seinen Gegner, mit dem er rang, niederzuschießen, drückte ein bayerischer Offizier die Pistole nach ihm ab, tödtete aber Bechmann selber. Die Sturmglocke ertönte; aber aller Widerstand war vergeblich.

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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Ulm. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1836, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Ulm_Seite_140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)