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Pfarrstelle und einzelne Privaten. Der ganze Gemeindebezirk gehört zum K. Cameralamt Friedrichshafen und zur Pfarrei Unter-Ailingen. Er stand ehemals unter der Landeshoheit der Östreichischen Landvogtei und bildete einen Bestandtheil des Östreichischen Landvogtei-Amts Fischbach. Mit der Landvogtei kam der Gemeindebezirk schon 1805 an die Krone Würtemberg, und stand bis 1810 unter dem Oberamt Altdorf. Die Grundherrschaft war und ist zum Theil noch vielfach vertheilt, die Haupttheilhaber waren die Klöster Löwenthal und das Kloster Kreuzlingen, als Besitzer der Herrschaft Hirschlatt. Siehe auch Hirschlatt. Die einzelnen Parzellen sind:

  • 1) Ober-Ailingen, Dorf mit 266 Einwohnern. 21/2 Stunden westlich von Tettnang, an dem Dobelbach und der Kornstraße, mit 1 Schildwirthschaft. Die Zehnten haben der Staat und der Spital Lindau zu beziehen, die Güter sind theils grundeigen, theils Erb- und allodificirte Zins-Lehen, die vormals verschiedene Lehens- und Gefälle-Herren hatten. Der größere Theil davon gehörte zu der Kloster Kreuzlingischen Herrschaft Hirschlatt und dem Kloster Löwenthal, und ist jetzt finanzkammerlich; 2 Höfe gehören zur Kirchenpflege Ailingen, 1 zur Stadt Friedrichshafen und 1 zum Spital Lindau, und entrichten an diese die Gefälle. Ober-Ailingen hat zwei Ölpressen (Handpressen) und zwei Privat-Keltern. Die Ortschaft Ailingen, wozu Ober- und Unter-Ailingen und überhaupt der ganze jetzige Gemeindebezirk gerechnet werden muß, ist sehr alt, schon im Jahre 774 schenkte ein Priester, Himmo, dem Kloster St. Gallen all sein Eigenthum zu „Ailingas und Scuzna“ (Schussen, ein abgegangener Ort in der Nähe), und 875 schenkte K. Ludwig seinem Getreuen, dem Priester Baldung, 2 Huben und 1/2 Hof in dem Dorf „Eilinga,“ im Linzgau, in der Grafschaft Ulrichs. Neugart, Cod. Dipl. No. 56 und 489. Später wechselte der Besitz vielfach. Die erste Urkunde ist zu Ailingen selbst ausgestellt, das dabei Villa publici genannt wird. Actum Helingas villa publici.[1] Es gab auch ein adeliges Geschlecht, das sich von Ailingen schrieb; ein Rudolph von Ailingen

  1. Villa publici oder Villa publica, öffentliches Dorf, bedeutete zu jener Zeit, im Gegensatze von einem herrschaftlichen Dorf, ein solches Dorf, wo das Grundeigenthum nicht im ausschließlichen Besitze des Königs, oder des Adels, oder der Kirche, sondern im freien Eigenthum seiner ebenfalls freien Bewohner war, also eine Art von Reichsdorf, d. h. eine freie aus freien Grundeigenthümern bestehende Gemeinde, die keine Herrschaft, sondern zunächst nur den K. Gaugrafen über sich hatte. Bemerkenswerth ist zugleich, und ein Beweis, wie wenig man bei der Frage von der Rechtschreibung der Ortsnamen auf Urkunden zurückgehen kann, daß in einer und derselben Urkunde Ailingas und Helingas, in der andern aber Eilinga geschrieben ist.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Tettnang. Stuttgart und Tübingen: J. G. Cotta, 1838, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Tettnang_122.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)