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Stadt genannt, ohne daß es je Stadtrecht, oder durch Mauern und Thore das äußere Ansehen einer Stadt erhalten hätte. Pfullingen selber leitet seine Eigenschaft als Stadt in dem Stadtlagerbuch erst von dieser Zeit ab. Wenn also Sattler und Andere Pfullingen schon in frühen Zeiten und unter den Grafen zur Stadt werden lassen, so ist dieß unrichtig. Indeß hatte es doch schon im Jahr 1596 von Herzog Friedrich, der gern den Verkehr von Reutlingen abgeleitet hätte, nebst der Jahrmarksgerechtigkeit auch den städtischen Vorzug eines Wochenmarkts erhalten. Auch war der Flecken lagerbuchmäßig „wie ein Statt im Fürstenthumb Würtemberg“ mit Galgen, Stock und Pranger, so wie mit Gyssibel und Halseisen geziert.

Wie Pfullingen der Nachbarschaft von Reutlingen die Wochenmarktsgerechtigkeit, die jedoch von keiner Wirkung war, verdankt, so verdankt es derselben auch ein Asyl für uffrechten, ungefährlichen und redlichen Todtschlag, das im Gegensatz von dem Reutlinger Asyl, sowohl Auswärtigen überhaupt, als insbesondere den Reutlingern zur Zuflucht eröffnet war, und lange Zeit benutzt wurde.

Merkwürdig sind die Ruinen des Klosters, das längst zerfallen, – im Jahr 1793 vollends ganz abgetragen wurde, so daß jetzt nur noch das Sprachgitter mit wenigen Mauerresten übrig ist. Es war ein Frauenkloster St. Klara Ordens, das im Jahr 1250 von den Fräulein Mechtild und Irmel gestiftet wurde, und nach und nach zu einem ansehnlichen Besitzthum gelangte. Kaiser Rudolph und seine Nachfolger bedachten es mit mancherley Vorrechten und Freyheiten, wovon Besold in Mon. virg. S. 315–363 ausführliche Nachricht gibt; selbst die Kaiserin Imagina, Adolphs Gemahlin, bezeugte sich durch eine Urkunde, datum Achalme 1294, gnädig gegen das Kloster. Der Klostershofmeister war zugleich Stabsbeamter und unter seinem Stabe standen die zum Kloster gehörigen Orte Genkingen und Reicheneck. Die Vogtey hatte Würtemberg, unter dessen Schirm das Kloster schon 1442 stand. Auf den Mauern des Klosters steht die Cameralverwaltung.

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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Reutlingen. Stuttgart und Tübingen: , 1824, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Reutlingen_120.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)