Seite:Oberamt Reutlingen 102.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Zeit für die Stadt war der dreyßigjährige Krieg, vornehmlich das Jahr 1631, wo Graf Egon von Fürstenberg gegen sie anrückte, und die Stadt am Peter- und Paulstag durch einen Trompeter und Schröck-Capitän auffordern ließ. Es kam jedoch eine so günstige Capitulation zu Stande, daß dieser Tag lange als ein Tag des Heils und miraculöser Redemption feyerlichst begangen wurde. Die tiefste Wunde wurde der Stadt vollends durch den großen Brand im Jahr 1726 geschlagen, wodurch 900 Häuser und darunter fast alle öffentliche Gebäude ein Raub der Flammen wurden, so daß beynahe die ganze Stadt in einen Aschenhaufen verwandelt war.

Diese harten Schicksale waren Ursache, daß sich Reutlingen zwar durch den unermüdlichen Fleiß und die Betriebsamkeit seiner Einwohner zu einem ziemlichen Wohlstand erhob, und die Stadt selber auch sich ein kleines Gebiet erwarb, wozu außer den oben genannten Orten früher auch Gomaringen und Hinterweiler gehörten, daß es aber doch in Vielem, namentlich auch in Gebäuden und öffentlichen Anstalten zurückblieb. In alten Zeiten hatte Reutlingen sehr reiche Bürger; die Becht, die Teufel waren Familien, welche ganze Herrschaften besaßen. Von Reutlingen stammen auch die Werrenwag und Imhof ab.

Die Verfassung der Reichsstadt war von frühen Zeiten her demokratisch, und schon die oben angeführte Ordnung der Stadt zu Reutlingen von 1374, welche alle Hauptzüge derselben enthält, beruft sich auf althergebrachte Gewohnheit. Die Bürgerschaft theilte sich in 12 Zünfte (Tribus), jede dieser Zünfte hatte ihren Zunftmeister und ein mit diesem aus 13 Personen bestehendes Zunftgericht. Die 12 Zunftgerichte zusammen bildeten den Großen Rath, gesetzgebenden Körper, der aus 56 Gliedern bestand, aber nur bey wichtigen Staatsangelegenheiten und bey den jährlichen Wahlen zusammenkam. Die eigentlichen Regierungs- und Verwaltungsbehörden waren:

Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Reutlingen. Stuttgart und Tübingen: , 1824, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Reutlingen_102.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)