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Plan der Wiederaufbauung des Schlosses Marstetten (s. d.) zurückgekommen war, hatte zwar Graf Sebastian Wunibald die Absicht, ein neues Residenzschloß in Wurzach zu erbauen; allein es scheint bei einer bloßen Renovation des alten Schlosses geblieben zu seyn.[1] Erst der Sohn und Nachfolger des genannten Stifters der Wurzacher Linie, Ernst Jakob, der 1700 succedirte und 1734 starb, fing im Jahr 1721 den Bau eines neuen Schlosses an. Wann er beendigt wurde, sagt keine Nachricht. Dieses neue Schloß ist im Geschmack jener Zeit, dem sogenannten Renaissance-Styl, erbaut, geräumig, bequem eingetheilt und durch Eleganz des innern Baues ausgezeichnet. Zu beiden Seiten der gegen die Stadt (gegen Süd) gerichteten Hauptfronte springen zwei nicht ganz vollendete Flügel vor; die Nordseite bietet eine ebenfalls ansehnliche Façade gegen den Park, der früher in altfranzösischem Geschmack angelegt war, von dem gegenwärtigen Fürsten aber in eine angenehme englische Anlage mit herrlichen Linden- und Kastanien-Alleen umgewandelt worden ist. Dieser Schloßgarten ist 142/8 Morgen groß, und mit einem breiten Kanal umgeben. Das Schloß enthält die geschmackvolle Hofkapelle mit zwei Oratorien und drei Altären; das fürstliche Archiv, in welchem sich unter andern wichtigen Dokumenten das Diplom befindet, nach welchem vom römischen Senat und Adel im Jahr 1560 den Truchseßen von Waldburg und ihren Nachkommen aus Hochachtung für den Kardinal Otto, Truchseß, das römische Bürgerrecht verliehen wird. Die fürstliche Bibliothek besteht aus 4000 Bänden; sie bewahrt unter anderen sehr schätzbaren Werken das Originalmanuscript der Pappenheim’schen Chronik der Truchseßen. Mit der Bibliothek ist eine schöne Kupferstich- und Landkarten-Sammlung verbunden. Sehenswerth ist im fürstlichen Schlosse auch das Treppenhaus, nicht weniger ausgezeichnet


  1. Über einer Thüre dieser sogenannten „alten Burg“ ist die Jahreszahl 1691 in Stein gehauen. Im Jahr 1689 war noch ein Burgwart hier angestellt.
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Beschreibung des Oberamts Leutkirch. Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1843, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Leutkirch_232.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)