Seite:Oberamt Leutkirch 143.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von einer ansehnlichen breiten Straße durchschnittenen Ort fließt der oben erwähnte Bach, der sich unterhalb desselben im Geschiebe verläuft, um, wie man behauptet, bei Ober-Dettingen wieder zum Vorschein zu kommen. Die lebhafte Staatsstraße von Biberach nach Memmingen, und die Straße von Erolzheim und Wiblingen nach Leutkirch, welche sich hier kreuzen, so wie drei jährliche Vieh- und Krämermärkte tragen zur Frequenz des Ortes das Ihrige bei. Am südöstlichen Ende steht die moderne Pfarrkirche zum h. Konrad mit einem sehr ansehnlichen hohen Thurme von solider Bauart. Im Jahre 1499 erbaute Abt Heinrich von Roth die Pfarrkirche, und 1513 Abt Konrad den Thurm. 1703 wurde die Kirche abgebrochen und eine neue an ihre Stelle erbaut. 1785 brannte sie bis auf die nackten Mauern aus, worauf die gegenwärtige dem unversehrt gebliebenen Thurm angebaut wurde.

In dieser Kirche ruht der Leichnam des heil. Wilibold, zu dessen wunderthätigen Überresten am Wiliboldstag aus der ganzen Umgegend sehr zahlreiche Wallfahrten angestellt wurden, die noch nicht zur Antiquität geworden seyn sollen. Dieser Wilibold war nach der Rother Klostersage (Stadelhofer I. S. 71) ein Graf von Kalw, nach Andern ein Edler aus Schottland, der im Jahre 1230 auf seiner Pilgerfahrt nach Berkheim kam, dort erkrankte und unerkannt in der Scheuer eines Bauern starb. Aber im Augenblick seines Verscheidens läuteten die Glocken von selbst, Wohlgeruch verbreitete sich um den Todten, und als er bestattet wurde, erklangen von einem ungesehenen Musikchor himmlische Töne. Diese Wunder bewirkten, daß der Hingeschiedene zwar von der Kirche nicht förmlich heilig gesprochen wurde, doch im Illerthal und in den benachbarten Gegenden fortwährend als Heiliger verehrt wird. Der Leichnam wurde 1273 in die Kirche gebracht, 1705 aber aus der Gruft genommen und auf einem Altar ausgestellt.[1] Bei der Unzulänglichkeit des Kirchenfonds, der nur 300 fl. Kapitalien besitzt, trägt die Standesherrschaft Roth, welcher auch das Patronat zusteht, die Baulast. Die Pfarrstelle, welche ehedem zu dem Landkapitel Dietenheim gehörte, war Eigenthum des Klosters Roth (s. unten) und diesem seitdem 1452 inkorporirt. Seit 1806 ist sie eine Kompetenzpfarrei, und als solche neu regulirt durch die Dotation vom Jahre 1818. Das Pfarrhaus, 1529 vom Kloster Roth solid erbaut, hat die Form eines kleinen Schloßes mit vier Eckthürmchen; die


  1. Nachricht von dem heil. Willebold, Grafen von Calv, Schutzpatron des Ilerthals, Ottobeuren 1786. 16. Dramatisirt wurde die Legende, um in Berkheim scenisch dargestellt zu werden, von H. v. Jung: Der heilige Willebold, eine Legende aus dem 13. Jahrh. 1820. 8.
Empfohlene Zitierweise:
Beschreibung des Oberamts Leutkirch. Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1843, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Leutkirch_143.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)