Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

In den drei gegen Süden den Abschluß bildenden Gebäuden enthält das mittlere die Durchfahrt zur Anstalt, und die Dienstwohnungen des Hausgeistlichen, des Oberaufsehers und des Thorwarts. Links von demselben ist die Militärwache mit einem Ökonomiegebäude und rechts das Verwaltungsgebäude mit der Dienstwohnung und den Kanzleien des Vorstandes; an letzteres schließt sich ein mit einer Mauer umgebener, vom Vorstand zu benützender Garten.

Nördlich von dieser Gebäudereihe, durch einen ausgedehnten, mit Bäumen und Blumen-Bosketen besetzten Hofraum getrennt, steht das dreistockige, in schönem Rococostil gehaltene Hauptgefängnißgebäude (224′ lang, 62′ breit) mit 15 Gefangenen-Arbeitslokalen, 11 Schlaflokalen, 4 Arrestlokalen und 8 Officianten- und Dienstzimmern. Im ersten Stockwerk zu ebener Erde, mit besonderem Eingang, befinden sich die Lokale der weiblichen Gefangenen, nebst dem Arbeitszimmer des Hausmeisters; im zweiten und dritten Stockwerke mit besonderem Eingang und Treppenhaus sind die Arbeits- und Schlaflokale der männlichen Gefangenen. Im Souterrain ist eine Bäckerei nebst Waschküche eingerichtet.

An diesen Hauptbau schließt sich östlich die geräumige, freundliche, massiv gebaute Kirche mit Glockenthürmchen, deren südliche Hälfte des unteren Stockwerks zu einem Speise- und Lehrsaal für weibliche Gefangene, des obern Stockwerks für männliche Gefangene eingebaut ward, ist zum evangelischen wie katholischen Gottesdienste eingerichtet und in gothischem Stile, einschiffig mit großem Chore erbaut, und rings mit Strebepfeilern besetzt. Leider fehlen jetzt den hohen Spitzbogenfenstern ihre Füllungen. Der ganze Raum ist mit einer flachen, sehr schönen Holzdecke abgedeckt; die jetzt weißgetünchte setzt sich aus griechischen Kreuzen und aus Quadraten zusammen, in denen vergoldete Rosetten strahlen, und gibt ein so seltenes als treffliches, in Gliederung und in der Anordnung höchst glückliches Muster einer alten Holzdecke. Am spitzen Triumphbogen steht 1551, aus dieser Zeit wird auch die Decke stammen; im Jahr 1546 wurde Kloster und Kirche im schmalkaldischen Krieg, und früher schon im Städtekrieg 1448/50, theilweise zerstört und verbrannt (s. hier. unten). Der große Rococo-Hochaltar zeigt das schöne Ölbild des heil. Sebastian; Kirchen- und Beichtstühle sind in demselben Geschmacke sehr gut geschnitzt, und in herrlicher Renaissance ist die hölzerne Eingangsthüre gehalten.

Nördlich an den Hauptbau schließt sich das zweistockige ehemalige Klostergebäude mit dem noch wohl erhaltenen südlichen Flügel des gothischen Kreuzganges an; dasselbe bildet einen 123′ langen Mittelbau mit zwei je 95′ langen Seitenflügeln; es enthält 9 Arbeits- und 9 Schlafgelasse, samt einer Anzahl Zellen für männliche Gefangene,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_237.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)