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„Geschlechtern“ oder „Burgern“, später auch Patricier genannt.[1] Aber bald kam auch hier die Zeit, wo diese das Regiment mit den Gemeinen oder Zünften, deren die Stadt 7 hatte, theilen mußten, und es entstand jetzt derselbe Kampf zwischen Aristokratismus und Demokratismus, wie in andern Städten. Als die Zünfte zu mächtig wurden, und in Folge der Reformation die Patricier, welche fast sämmtlich bei der katholischen Lehre geblieben waren, eine Zeit lang aus dem Rath verdrängt waren, griff K. Karl V. auch hier wie in Ravensburg zu Gunsten des katholischen Patriciats ein, und führte, wie dort 1551 mit Abschaffung des evangelischen Raths eine neue Regiments-Ordnung ein, wodurch den Patriciern wieder die Oberhand verschafft wurde. Diese Ordnung wurde zwar nachher wieder mehrfach abgeändert; aber im Wesentlichen blieb sie in Wirkung, bis endlich der westphälische Friede einen neuen und dauerhaften Zustand herbeiführte, wodurch Biberach als eine paritätische Stadt die Einrichtung erhielt, die sie auch bis zur Auflösung ihrer Reichsstandschaft behielt. Bei dieser Einrichtung theilte sich Alles, bis auf die Hebammen und Nachtwächter hinaus, in Evangelisch und Katholisch. Es gab auch eine evangelische und eine katholische Patriciatstube (Gesellschaftshaus). Das letztere wurde erst 1829, das erstere schon 1806 verkauft.


  1. Als Theilhaber am Regiment und als geborner Gemeinderath hießen sie „Consules“ – Rathmannen. An ihrer Spitze stand der Minister – K. Reichs-Schultheiß, oder hier Amann genannt, denn die Benennung Schultheiß war in Ober-Schwaben überhaupt nicht gewöhnlich. „Minister, Consules et universitas civium de Biberach“ heißt es in einer Urkunde von 1294; in einer andern von 1321: „Minister, Consules et universitas in Biberach“, in deutschen Urkunden aber aus derselben Zeit und später: „Amann, Rath und Burger der Stadt Biberach.“ Erst gegen das Ende des 14. Jahrhunderts ums Jahr 1390, nachdem die Zünfte eingeführt waren, der Reichs-Amann ein städtischer geworden, und die hohe Gerichtsbarkeit mit dem Blutbann von den Reichslandvögten auf die Stadt übergegangen war, kommen auch Bürgermeister vor (nicht Consules, sondern magistri civium genannt), dagegen verschwindet jetzt der Amann, der in die untergeordnete Stellung eines Beamten zurückgedrängt worden war, nach und nach in den Urkunden, und bald heißt es nicht mehr: Amann, Bürgermeister und Rath, sondern bloß „Bürgermeister und Rath.“
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Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Biberach. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1837, Seite 096. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Biberach_096.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)