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zum letzten und obersten Portal, von welchem zur Rechten einst die jetzt ganz in Trümmern liegende Kommandantenwohnung sich hinzog. An diesem sogenannten „neuen Portal“ ist eine Tafel, mit folgender nur z. Th. noch erhaltenen Inschrift:

Durch Gottes Gnad und Heldentreuw
Dis Vöste Haus hier stehet Neuw,
Der Feindt hats zwar fünffmal geschreckht,
Doch hat der Herr zum Schutz erweckht
Den Widerhold, der fünffzehn Jahr
Daßelb beschützt in Feindts Gefahr.
Daßelb beschütz166 ..

An der Rückseite ist der Widerhold’sche Wappenschild noch in hübscher Renaissance, wohl noch aus der Zeit Konrad Widerholds stammend, von zwei Meerfräulein umrahmt, eingemauert.

Dieses Thor, das letzte und ursprünglich das achte (s. u.) in der ganzen Reihe, führt uns in die „obere Festung“. Ihre Trümmer wirken traurig und nur mitunter malerisch, die Massen der Gebäude sind großentheils unverziert und wenig gegliedert, schöne architektonische Formen fehlen fast gänzlich, das Mauerwerk ist schlecht und meist aus kleineren Steinen, die Zerstörung mehr als gründlich. Einen Ersatz gewährt üppig aufsteigender Baumwuchs und die über alles prächtige Aussicht. Als erster großer Gebäudekomplex erscheint die Ruine der Kaserne, des einstigen Klosters, mit Resten eines dem Eintretenden zugewendeten hübsch verzierten Renaissancegiebels. Dieses Gebäude, in einem großen Halbkreis, doch nicht halbrund, sondern mit geraden Seiten und stumpfen Winkeln, errichtet, leitet uns in dieser Richtung umher; an seiner inneren Seite sind, gegen den gekrümmten früheren großen Paradeplatz, noch die Rundbogen-Arkaden sichtbar, während an der geraden Seite des Paradeplatzes die Trümmer der früheren sehr geräumigen, von Konrad Widerhold erbauten Kirche, hoch und wild verwachsen, emporsteigen. Diese muß einst einen schönen weiten, wohlausgeschmückten Raum gebildet haben, mit einem hohen viereckigen Thurm an der Nordwestecke. Weiterhin, gegen Westen, erfüllen die höchste Fläche des Berges zum großen Theil die stattlichen Überreste des herzoglichen Schlosses, meist aus der Zeit von Herzog Christoph, auch tief im Trümmerschutt begraben, mit Rundbogen-Portalen, an der Nordostecke von einem Rundthurm flankirt; innen gewahrt man noch Gemächer, Arkadenstellungen und zweimal die Jahreszahl 1554, und unter dem Boden weitgesprengte Kellergewölbe.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0550.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)