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aus Eichen-, seltener aus starken Birnbaumstämmen, welche der Länge nach gespalten sind, so daß sie beinahe gleiche Hälften bilden. Diese Halbstämme wurden muldenartig ausgehöhlt und in die eine Hälfte des Stammes der Leichnam mit seinen Beigaben gelegt, die andere diente als Sargdeckel; letztere haben mit wenig Ausnahmen eine der Länge nach oben über sie hinlaufende Leiste, welche mit zahnartig eingeschnittenen Kerfen versehen ist und an ihren beiden Enden in seltsame, roh geschnittene, über den Todtenbaumdeckel hinausragende Thierköpfe ausläuft, die als Handhaben, mittelst derer die Deckel auf- und abgehoben werden konnten, gedient zu haben scheinen. Die Todtenbäume waren zum Theil einfach in den natürlichen Boden eingelagert, einzelne derselben, die vermuthlich Wohlhabenderen angehörten, hatten überdies noch eine Umfriedigung und Bedeckung von eichenen Dielen, welche wohlverwahrte Grabkammern bildeten. Einige Gräber enthielten keine Todtenbäume und bestanden gleichsam aus Todtenbettstätten, die zum Theil mit zierlich gearbeiteten Geländern umgeben waren. Die Gräber lagen mit wenigen Ausnahmen gegen Osten, und zwar so daß das Gesicht des Beerdigten gegen die aufgehende Sonne gerichtet war. 1

Die Inlagen der Todtenbäume bestanden, außer den häufig noch erhaltenen Skeletten, aus den verschiedenartigsten Beigaben, aus hölzernen auf der Drehscheibe gefertigten Geräthen, wie Teller, Schüsseln, Schalen, Krügchen, Kübel, Flaschen, Leuchter, ein Fäßchen, Schemel, Schusterleisten, Seitenstücke von einem Webstuhl, eine Fidel (Geige) u. s. w.; ferner ein schönes Trinkglas, Kämme von Bein, ein Krug von Steingut und überdies noch zum Theil zierlich geformte Gefässe von schwarzem Thon; die letzteren sind meist auf der Drehscheibe gefertigt und gut gebrannt. Die aufgefundenen Schmuckgegenstände und Waffen bestanden aus Bronze und Eisen, mit Ausnahme der aus Eibenholz gefertigten sehr langen Bögen und der Pfeile, welche an die Eibenschützen des Mittelalters erinnern. Die Bronze ist nicht mehr die alte echte, sondern nähert sich schon merklich dem Messing und geht sogar häufig ganz in dasselbe über. Gewandreste von Seide, Wolle und Linnen fehlten ebenfalls nicht. Von Früchten enthielten die Todtenbäume neben sehr vielen Haselnüssen noch gut erkennbare Birnen, Wallnüsse, Pfirsich-, Pflaumen- und Kirschenkerne. Von Münzen fand man Bracteaten. Alle diese Vorkommnisse zeugen von einer schon merklich vorgeschrittenen Kultur und setzen das Alter der Todtenbäume in die Zeit vom

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0412.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)