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Geschichtlicher Überblick und Alterthümer.




Politischer Zustand.

Der Bezirk theilte in der ältesten Zeit die Schicksale der benachbarten Oberämter Spaichingen und Rottweil. Unter den Römern gehörte er zur Provinz Obergermanien, theilweise wohl auch zu Rhätien, später zu Südalemannien, das nach der Schlacht des Jahrs 496 sich unter den Schutz der Ostgothen stellte, 536 von diesen an die Franken abgetreten, dann immer noch bis zum Jahr 748 unter eigenen Herzogen stehen durfte. Die ganze Gegend mit Ausnahme von Hohentwiel, das im Hegau lag, war ein Bestandtheil des Gaus Berchtoldsbaar und ihres Grafensprengels, des Scherragaus (von den Scheren-Felsen der Donau so genannt). Von Mitgliedern der alten gotefridischen Herzogsfamilie, welche häufig die Gaugrafenwürde der Baar begleiteten, und vielfach den Namen Berchtolt oder Birchtilo führen, daher auch Bertoldiner genannt werden (Stäl. W. G. 1, 552)[1], stammten namentlich Besitzungen der Klöster Reichenau und St. Gallen in unserem Bezirk, so nach der Klostertradition von


  1. Der Name Baar gehört zu den vielgedeuteten. Schmid’s Schwäb. Wörterbuch 41 fragt: von den dichten Wäldern? Grimm (Deutsches Wörterbuch 1, 1057) denkt an das althochdeutsche paro Wald und erklärt: der baumentblößte, zum Gottesdienst bestimmte Waldraum. Förstemann (Altdeutsches Namenbuch II. 2. Auflage 205) sagt: „Ein Ausdruck für Gau oder Mark der wie es scheint nur in einem Theile Schwabens zu Hause war. In der übrigen Sprache außerhalb der Namen ist das Wort unbekannt. Sollte es vielleicht zu ahd. bar-vacuus, nudus gehören und zunächst eine Einöde, ein unbebautes Land bezeichnen? Vgl. übrigens auch angelsächsisch bearo beru heiliger Hain. Vierordt (badische Geschichte 1865, S. 26. 168) meint, Baar sei keltisch (vgl. la barre, barrière) was deutsch Mark, das Grenzland, ursprünglich wohl der ganze auf dem rechten Rheinufer gelegene Theil der römischen Provinz Obergermanien. Birlinger (die alemann. Sprache rechts des Rheins 1868, S. 14. 205) sagt, bâr sei ebenso entschieden alemannischer Gauname, als bant salisch-fränkisch-friesischer eiba und feld mainfränkische und denkt an bairan tragen: das fruchtbare Land im Gegensatz zum eigentlichen Schwarzwald. „Wenn man durch die herzynischen Waldungen gen Osten zog, so lag da schon nach römischen Nachrichten die weite Hochebene des waldentblößten Getreidelandes“.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0218.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)