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von den Wänden aufstrebende Fialen. Unter mehreren im Renaissancestyl gehaltenen Grabdenkmalen zeichnet sich das des Michael Hirschmann, welcher 30 Jahre Bürgermeister zu Schorndorf war und 1634 starb, besonders aus; namentlich verdient das vortrefflich gemalte Brustbild des Verstorbenen alle Beachtung. An der Nordseite der Kirche ist 26′ lang, 16′ breit und 35′ hoch eine Seitenkapelle angebaut, in welche später ein Boden eingezogen und der untere Theil als Sacristei eingerichtet wurde. Der obere Theil, das sog. Judenstübchen, enthält ein meisterhaft construirtes Netzgewölbe, dessen Gurten zum Theil von dem Gewölbe abstehen und ein freies Geflecht bilden. Über dem Spitzbogen, der zur Kapelle führt, ist in 1/3 Lebensgröße Abraham aus Stein gehauen liegend dargestellt; aus dem Leib desselben wächst ein Baumstamm hervor (der leider theilweise abgeschlagen ist), dessen Verzweigungen sich oben an den Gewölbegurten fortziehen. An jeder Gurtenkreuzung ist Laub- und Blumenwerk angebracht, aus dem je ein Brustbild der Könige und Propheten frei hervortritt –; an dem entgegengesetzten, östlichen, Ende des Gewölbes befindet sich Christus, so daß das Ganze einen Stammbaum von Abraham bis auf Christus vorstellt. – Der Thurm wurde, gleichfalls durch das Mittel eines Ablasses unterstützt, 1488 zu bauen begonnen. Er war ganz von Quadern, mußte aber bei der Befestigung der Stadt, damit nicht von ihm aus das Schloß beschossen werden könne, theilweise abgebrochen und mit zwei hölzernen Stockwerken, die leicht abgeworfen werden konnten, versehen werden; 1609 wurde jedoch erlaubt, an die Stelle der letztern ein 16′ hohes steinernes Glockenhaus zu setzen. – Bei der Einäscherung der Stadt 1634 brannte auch diese Kirche bis auf den großen Chor und die Seitenwandungen des Langhauses ab, wobei die 5 Glocken zu Grunde gingen. Die Wiederherstellung erfolgte erst am 25. Juli 1650, an welchem Tage sie feierlich eingeweiht wurde; 1670 wurde auch der Thurm und 1706–9 die Orgel wieder hergestellt.[1] Nunmehr ist die ganze Breite der Kirche frei, die Decke derselben aber flach. Gleichwohl ist die Kirche wegen des Chors, welcher eine Stelle in der Kallenbach’schen Sammlung erhalten hat, den schöneren Baudenkmalen des Mittelalters beizuzählen. Aber auch nach ihrer innern Beschaffenheit gehört sie zu den schönsten Kirchen des Landes, nachdem in Folge der im Sommer 1849 vollendeten Restauration die architektonische Schönheit des Chors mit den restaurirten, in Nischen stehenden Bildern Christi und der Apostel, dem mit vergoldeten Sternen


  1. Am Palmfest 1741 stürzte während des Morgengottesdienstes ein Theil einer Empore herab, wodurch einige Menschen getödtet, andere beschädigt wurden.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Schorndorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1851, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtSchorndorf0083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)