Seite:OberamtNeresheim0405.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Westen und Süden der Markung (Erbisberg, Kapellenberg, Barrenberg) aus den Zersetzungen des weißen Jura, im übrigen Theil aus denen des braunen Jura besteht; die letzteren sind etwas schwer, lettig, zuweilen sandig und eignen sich vorzüglich für den Dinkelbau. Es bestehen zwei Steinbrüche, einer im braunen Jura, der vortreffliche Bau- und Werksteine, der andere im weißen Jura, der Straßenmaterial und Bausteine liefert; letztere wurden auch bei dem nahe gelegenen Tunnelbau verwendet, was den Gemeinderechtsbesitzern, denen beide Steinbrüche gehören, namhafte Summen eintrug.

Das Klima ist gesund und wegen der geschützten Lage ziemlich mild; Hagelschlag kommt selten vor und auch Frühlingsfröste stellen sich weniger ein als in andern Orten.

Die geordneten fleißigen Einwohner, von denen gegenwärtig 5 Personen 80 Jahre und darüber alt sind, befinden sich in erfreulichen Vermögensumständen und sichern sich durch Feldbau und Viehzucht ihr gutes Auskommen; der vermöglichste Bürger besitzt 160 Morgen, der sog. Mittelmann 30–50 Morgen und die weniger bemittelte Klasse 3–4 Morgen Grundeigenthum. Nur 3 Familien genießen Gemeindeunterstützung. Überdieß besteht ein Gemeinderecht, nach dem jeder Bürger, der ein ganzes Gemeinderecht besitzt, 6–7 Morgen Felder zur Benützung hat; es sind 80 solcher Gemeindegerechtigkeiten vorhanden. Außer den gewöhnlichen, dem örtlichen Bedürfniß dienenden Gewerben sind zu nennen 2 Schildwirthschaften mit Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und 2 Kramläden.

Die Landwirthschaft wird sehr eifrig und gut betrieben, wobei man sich des allgemein eingeführten Brabanterpflugs, der eisernen Egge und der Walze bedient; auch Heinzen und einfache Joche sind üblich. Zum Anbau kommen die gewöhnlichen Cerealien und von diesen vorzugsweise Dinkel und Gerste, ferner Kartoffeln, dreiblättriger Klee, Wicken, Erbsen, Stoppelrüben und Angersen. Von den Getreideerzeugnissen können jährlich für 6–7000 fl. nach außen abgesetzt werden. Der Wiesenbau ist etwas beschränkt, liefert aber ein gutes nahrhaftes Futter, das im Ort verbraucht wird. Die mit späten Mostsorten und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht ist von einiger Bedeutung, befriedigt aber das örtliche Bedürfniß nicht vollständig; Nüsse gedeihen gerne. Eigentliche Weiden sind etwa 150 Morgen vorhanden; sie werden nebst der Brach- und Stoppelweide an einen fremden Schäfer, der 700 St. Bastardschafe laufen läßt, um 1025 fl. jährlich verpachtet; diese Pachtsumme wird nebst dem 5–600 fl. betragenden Pfercherlös an die Gemeinderechtsbesitzer vertheilt.

Die Rindviehzucht ist sehr beträchtlich; man züchtet eine Kreuzung von Simmenthaler und Landrace und hat 3 Farren von gleicher Race aufgestellt. Das entbehrlich gewordene Vieh wird auf nahen Märkten abgesetzt und überdieß ziemlich Butter und Schmalz verkauft.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 405. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0405.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)