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Röttingen.
Gemeinde III. Kl. mit 520 Einw. a. Röttingen, Pfarrdorf, 502 Einw., b. Freudenhöfe, Weiler, 12 Einw., c. Kahlhöfe, Hof, 6 Einw. – Kath. Pfarrei, die Evang. sind nach Bopfingen eingepfarrt. Die Parzelle b. ist nach Lauchheim eingepfarrt. 4 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Am östlichen Fuß eines gegen Norden sich hinziehenden Rückens des weißen Jura, liegt ziemlich hoch und freundlich der ansehnliche von Südost nach Nordwest in die Länge gedehnte, etwas unebene Ort, dicht umgeben von schönen Obstbaumgärten und von Schutz gewährenden Höhenzügen, die nur gegen Südosten eine mäßige Aussicht erlauben. An den breiten gut unterhaltenen Ortsstraßen lagern sich in mäßigen Abständen die freundlichen, reinlichen, meist aus Stein aufgeführten Häuser, die auf den ersten Blick die Wohlhabenheit der Einwohner verrathen. Durch Vicinalstraßen nach Baldern, Lippach und auf die Bopfingen–Aalener Landstraße ist der Ort mit der Umgegend hinlänglich in Verbindung gesetzt.

Die dem hl. Gangolf geweihte Kirche steht inmitten des Dorfes im noch ummauerten Friedhof und ist ein sehr schönes und zierliches spätgothisches Bauwerk, errichtet im letzten Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts aus dem feinen, schöngelben, etwas leicht verwitternden Sandstein des in hiesiger Gegend anstehenden braunen Jura. Der gothische Stil erscheint hier schon an seiner äußersten Grenze, aber von einer Lebhaftigkeit, Anmuth und einer genialen Freiheit, die uns mit allen Ausschreitungen reichlich versöhnt; die Gothik scheint überhaupt gerade vor ihrem Erlöschen noch einmal von jugendlichem Leben durchdrungen worden zu sein. – Sehr große Ähnlichkeit hat der Stil unserer Kirche mit dem an der großartigen Georgenkirche im nahen Nördlingen, dort wird als Kirchenbaumeister von 1495–1505 Stephan Weyrer genannt. Zum Bau der Kirche wurde das romanische Schiff der früheren benützt; man sieht noch Theile des alten Quaderwerks, sowie das romanische Sockelgesims, alles Andere ist aus einem Guß und mit größter Sorgfalt gefertigt. Die Spitzbogenfenster des Schiffes verloren ihre Maßwerke und die Westseite ist ganz kahl, dagegen ist der halbachteckig schließende Chor mit dem nördlich daran stehenden Thurm ein Meisterwerk spätgothischer Zierkunst und beinahe vollständig erhalten. Seine schlanken Spitzbogenfenster sind trefflich gefüllt und seine hohen Strebepfeiler von reichstem und dabei phantastischem Schmuck. Sie kanten sich gegen oben rechteckig vor, von herrlichem Astwerk und Blumengeranke belebt, und trugen darüber einst Heiligen-Bildsäulen, die unter reichen noch erhaltenen, von einer Fiale überragten Baldachinen standen. Alle Schrägen, Dächelchen und Giebelchen sind geschwungen und mit Blumen, mit Drachen und anderem Gethier belegt. Auf der unteren Schräge des ersten Strebepfeilers (von

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 402. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0402.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)