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Oberdorf,
mit Nagelmühle und Steinmühle,
Gemeinde II. Kl. mit 1159 Einw., wor. 70 Kath. Fil. von Aufhausen, 9 eig. Konf. und 351 Israeliten mit Rabbinat, Synagoge. Oberdorf und Nagelmühle, Fil. von Bopfingen, Steinmühle, Fil. von Aufhausen, 31/8 Stunde nördlich von der Oberamtsstadt und 1/8 Stunde nordwestlich von Bopfingen gelegen.

Am südwestlichen Fuß des Ipfs, an der Vereinigung der Sechta mit der Eger liegt freundlich das ansehnliche, marktberechtigte, etwas unregelmäßig angelegte Dorf, durch das die Landstraße von Bopfingen nach Kerkingen und weiter hin nach Ellwangen führt; an ihr, wie an den übrigen meist ziemlich breiten Ortsstraßen, lagern sich, häufig durch kleine Gärten getrennt, etwas weitläufig die freundlichen, meist weißgetünchten Häuser, worunter manche, namentlich Israeliten gehörige, im städtischen Stile erbaut sind und dem Ort ein etwas städtisches Aussehen verleihen. Die Gebäude sind etwa zur einen Hälfte zwei-, zur andern Hälfte einstockig ausgeführt und mit Ausnahme einiger mit Strohdächern versehener, mit Plattenziegeln gedeckt. Außer der nach Ellwangen führenden Straße, sind noch Vicinalstraßen nach Baldern und Kirchheim angelegt. Die Aussicht ist etwas beschränkt, weil gegen Osten sich der Ipf, gegen Süden der Sandberg und gegen Nordwesten der Karstein sich erheben und einen weitgedehnten Rundblick nicht erlauben, dagegen geben diese kräftigen Nachbarberge, zwischen denen noch die Ruine Flochberg und das Bergschloß Baldern sichtbar sind, ein schönes Landschaftsbild.

An dem Nordostende des Orts steht innerhalb des alten, jetzt in ein hübsches Gärtchen umgewandelten Gottesackers die dem h. Georg geweihte Kirche, früher eine besuchte Wallfahrtskirche, in der alle 14 Tage der Diacon von Bopfingen eine Predigt und alle Freitage eine Betstunde zu halten hat; sie besteht aus einem beinahe fensterlosen, wohl sehr alten Schiffe und einem schönen mit begiebelten Strebepfeilern und gefüllten Spitzbogenfenstern geschmückten halb achteckig schließenden Chore spätgothischen Stils. Das kräftige Maßwerk der Chorfenster zeigt geschmackvolle Muster, und über der mit sich kreuzenden Stäben gegliederten Pforte an der Südseite des Schiffes steht in trefflicher, erhaben gearbeiteter Schrift: Anno domini 1463, das Jahr der Erneuerung des Schiffes und der Erbauung des Chors. Das Schiff soll neu errichtet werden. Das Innere hat im Chor ein schönes auf Wandsäulchen ruhendes Sterngewölbe, ferner ein bemerkenswerthes großes Krucifix aus alter Zeit und einen hübschen neugothischen Taufstein. An der Decke des Schiffes sah man früher den Sieg Josuas dargestellt. Früher besaß die Kirche einen werthvollen Hochaltar mit Gemälden von Hans Schäuffelin, den aber die Gemeinde im Jahre 1855 an Maler Maurer in Stuttgart um 100 fl. und ein neueres Ölgemälde, den h. Georg darstellend, verkaufte.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0384.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)