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beginnt auf der Markung in zwei Armen der Schellengrabenbach. Der Weiher bei der Hundsmühle ist ausgetrocknet und in Wiesengrund verwandelt, dagegen bestehen die hinter dem Kloster noch.

Die sehr ausgedehnten Klostergebäulichkeiten nehmen beinahe den ganzen westlichen Theil des großen Dorfes, eine Fläche von 24 Morgen ein, und der ganze Klosterhof ist von einer 20′ hohen Mauer umgeben. Kommt man von Norden her, so trifft man vor dem eigentlichen Kloster einen weitläufigen Komplex von langhingestreckten neueren Ökonomiegebäuden; der Zugang geschieht gerade von Norden her durch den im Rococostil erbauten großen Thurm, er trägt eine lateinische Inschrift, welche sagt, daß dieses Gebäude 1724 unter Violantia, die 33 Jahre Äbtissin gewesen, vollendet wurde. Gegen außen und innen hat er eine hübsche mit drei Nischen geschmückte Fassade; in den Nischen stehen steinerne Heiligenbilder, in der mittleren der Vorderseite die große, schön gearbeitete Madonna mit dem Kinde.

Vom Thorthurm aus gelangt man, an den zahlreichen langen Ökonomiegebäuden vorbei, zu dem eigentlichen Kloster, das auch an seiner Nordseite den Haupteingang hat; dieser ist ebenfalls mit Heiligenbildern geschmückt und zeigt die Jahreszahl 1683. Man sieht hier zuerst ein langes Gebäude aus dieser Zeit, das den sog. Prälatensaal enthält. Östlich davon erhebt sich die Kirche zur Himmelfahrt Mariä, welche an der Nordostseite der alten Klosteranlage steht; ein einschiffiger Bau in hohen Verhältnissen und strengen gothischen Formen, gegründet vor 1358. Sie ist mit schlichten Strebepfeilern besetzt und belebt mit hohen Spitzbogenfenstern, die in dem fünfseitig schließenden Chore noch mit sehr schönen frühgothischen Maßwerken (z. B. gefüllten Fünfblattrosetten) ausgegliedert sind, am reichsten ist das dreitheilige Ostfenster. Über dem Westgiebel erhebt sich ein zierlicher achtseitiger steinerner Dachreiter, auch im gothischen Geschmack und von spitzigem Zeltdache bekrönt.

Das über 150′ lange Innere, hoch und licht und ganz von stolzen Rippenkreuzgewölben übersprengt, zum Theil aber verzopft, enthält im Westen einen sog. Nonnenchor, eine große hölzerne Empore, und ferner eine Menge höchst merkwürdiger Kunstwerke aus dem 13. bis 18. Jahrhundert. Den östlichen Theil der Kirche beherrscht der riesige von Gold strotzende Hochaltar zur hl. Dreifaltigkeit, der um den Preis von über 20.000 fl. in den Jahren 1756 bis 58 gefertigt wurde. Davor sieht man auf dem Kreuzaltar einen uralten Krucifixus, mit gekreuzten Beinen, großem schurzartigem Schamtuche und stark gesenktem Haupte; er soll vor mehr als 300 Jahren zweimal auf der Sechta dahergeschwommen sein. An der Nordwand steht eine große in Holz geschnitzte, schöngehaltene Madonna gothischen Stils. Die Schlußsteine der Kirche wurden in der Zopfzeit verstuckt

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0339.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)