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Südosten ein Saal mit sehr hübscher Stuckdecke im Rococostil und der jetzige protestantische Betsaal mit den Ölbildern von acht Commthuren, darunter bemerkenswerth das des Joh. Eustachius von Westernach, Hoch und Teutschmeister 1625; ferner ein prächtiges schmiedeisernes Gitterthor auf der Flur dieses Stockwerks, und in dem Flur des zweiten und dritten Geschosses die angemalten Wappen der früheren Ordensmeister (s. u.). Die zum Theil sechsseitigen Fußbodenfliese tragen mitunter die Jahreszahl 1716. In dem Thurm des Alten Baues finden sich noch Reste des Burgverließes mit einem Stein über dem Haspel, worauf in gothischer Schrift steht: das Vogel Thüerle.

Im großen Vorhofe stehen an die Mitte des Westernachschen Baues südlich angebaut, die Wohnung des Kameralverwalters, ein gut erhaltenes zweistockiges 1717 errichtetes Gebäude; davor (östlich) liegt ein von dem derzeitigen Kameralbeamten hübsch angelegter, ummauerter Garten, der sich bis an das zweite Thor des Schlosses hinzieht. An der Südseite des Gartens steht ein stattlicher steinerner Brunnen, durch die im Jahr 1868 angelegte Wasserleitung gespeist. Das Wasser wird am Fuß der Reichenbacher Berge in drei Reservoirs gesammelt und durch ein Pumpwerk in eisernen Röhren den Berg hinaufgedrückt. Und südlich von der Kameralverwalters-Wohnung dehnt sich lang hin der 1720 erbaute Fruchtkasten und ostwärts bis an das äußere Eingangsthor hin die Schloßscheuer und das Bandhaus, unter diesen beiden Gebäuden befindet sich der Lagerbierkeller, welcher 400 Eimer faßt. An der Ostseite des Vorhofes steht die jetzt nicht mehr benützte Schloßkirche, S. Lorenzkapelle, erbaut 1716. Ihr Westgiebel ist mit drei steinernen Heiligenbildern geschmückt, und das einst hübsch stuckirte Innere enthält noch vier Grabsteine von Ordensmeistern aus dem vorigen Jahrhundert. Auf dem ins Thal hinabschauenden östlichen Giebel sitzt ein Dachreiter mit zwei Glocken.

Südlich davon liegt der frühere Marstall, erbaut 1719. Im zweiten Stock desselben zunächst der Kapelle wurde 1811 die Revierförsterswohnung eingerichtet, während in der untern Hälfte gegen das Thor die vom Pächter der Domäne betriebene Bierbrauerei mit Gähr-, Weißbier- und Winter-Bierkeller sich befindet.

Außerhalb des Schloßkomplexes liegt die zur K. Staatsdomäne gehörige Meierei, bestehend in der Wohnung des Pächters mit Wirthschaftsgerechtigkeit nebst sehr ansehnlichen Ökonomiegebäuden. Die Domäne umfaßt 1675/8 Morg. Äcker, 45 Morg. Wiesen, 215/8 Morg. Gärten, 117/8 Morg. Öden. Überdieß hat sie die Schaf- und Rindviehweide auf allen ihren Äckern und Wiesen, mit Ausnahme ihrer auf den Markungen Lauchheim und Westerhofen liegenden Wiesen. Das Gut wird in Fruchtwechselfelderwirthschaft mit Repsbau und Brache in 8 Schlägen mit bedeutendem Futterbau und Anwendung

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0327.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)