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in höchst kraftvollem burgtrotzigem Renaissancegeschmack gehalten und mit weitem und tiefem Thorweg, der in den sehr geräumigen Vorhof des Schlosses führt. Zu beiden Seiten sehen wir langhin gedehnte Ökonomiegebäude, und im Hintergrunde des Vorhofes gegen Nordwesten erhebt sich stolz, theilweis auf natürlichem Felsgrunde, das Schloß als ein unregelmäßiger und großartiger Gebäudekomplex, in drei Stockwerken über sehr hohem fensterlosem Unterbau. Der Eingang zum eigentlichen Schlosse liegt im Osten, und durch dieses zweite Thor gelangt man nun, immer gegen Westen, auf gepflastertem Weg über den jetzt ausgefüllten Burggraben in den engen steil ansteigenden äußeren Hof zum Schlosse hinan, durch das ein langer Thorweg in den inneren Hofraum führt. 1

Betrachten wir nun, ehe wir ins Einzelne gehen, in welche Haupttheile das Schloß zerfällt, es sind deren vier: 1) im Südosten und Süden erhebt sich der große 1716 erneuerte Westernachische Bau, laut Inschrift 1591 errichtet. Seine Südwestecke beschützt ein runder Thurm. 2) Nördlich stößt an den Westernachischen der auch bedeutende Hohenlohe’sche Bau, 1717 bis auf das untere Stockwerk neu erbaut, und an seiner Nordostecke tritt frei hinaus 3) Der älteste Theil der Burg, der Alte Bau, das sogenannte Kaplaneigebäude, die ursprüngliche bescheidene Anlage, ganz an den felsigen Nordostrand vorgeschoben und an dieser Ecke durch einen, jetzt etwas abgetragenen runden Thurm gedeckt. Und endlich 4) zwischen dem Westernachischen und dem Hohenlohe’schen Bau springt in zwei sich an der Nordwestecke rechtwinklig treffenden schmalen Flügeln der sogen. Küchenbau vor, 1718 von Grund auf neu gebaut. Stellen wir uns noch einmal vor das zweite Thor; es bildet einen sehr hübschen pavillonartigen Vorbau im Rococostil und von sehr malerischer Wirkung, treten wir dann durch den hallenden Thorweg in den engen äußeren Schloßhof, so überraschen uns reiche und merkwürdige Bauformen: zur Rechten erscheint hier der Alte Bau (Kaplaneigebäude) mit einem später vorgesetzten mächtigen Portal im schwersten Renaissancestil, von zwei großen jonischen Säulen gefaßt, und von hohem mit Wappen geschmücktem Aufsatze bekrönt; gegen das Thal hin trägt dieses Gebäude ein hübsches Erkerchen. Der Hof geht steil und eng hinan und zwar über den nackten Fels, auf den die Gebäude gegründet sind. Hier tritt nun zuerst der Hohenlohe’sche Bau hervor mit verziertem Rococogiebel und etwas weiter zurück links hin der Westernachsche Bau mit seinem prächtigen von Bossagen-Pilastern gefaßten Portal, das auch in jenem trotzigen Renaissancestil gehalten ist, wie das vorhin genannte. Der Rundbogen des Portals ist mit Kugeln besetzt, darüber (in zwei Reihen) drei schöne große noch bemalte Wappen zwischen jonischen Säulchen. Das Gebäude wird von einem höchst reichen kecken malerischen Giebel

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0325.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)