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Reste sehr alter Glasgemälde und davor erhebt sich der große von Friedrich Herlein gearbeitete Hochaltar (Liebfrauenaltar), zu dem früher viel gewallfahrtet wurde.

Auf den Außenseiten der Flügel des Altars sind gemalt der Einzug und das Martyrium des hl. Blasius; die Gestalten zum Theil steif und hölzern, als ob sie umfallen müßten, doch sind auch sehr tüchtige darunter, z. B. der einziehende sich segnend herabneigende Sankt Blasius; dann finden sich unter den Köpfen des Gefolges ganz vortreffliche. Der Schauplatz der gut erneuerten Bilder verliert sich in reiche Stadthintergründe. Unten steht: Dis werck hat gemacht friderich herlein moler zuo nördlingen. M.CCCC.L.XXII. Die Gemälde innen auf den Flügeln stellen dar die Geburt Christi und die Anbetung, diese mit der so schönen Maria; und den Altarschrank erfüllen große farbige Holzschnitzereien, links der h. Blasius, rechts der Riese Christophorus mit dem Christusknaben, er schreitet wie ganz im Sturme daher, man sieht die Anstrengung, womit er weiterdringt. In der Mitte des Schrankes thront, großartig-schön, Maria mit dem Kinde, das fröhlich nach einer Weintraube greift; über ihr schweben zwei Engel eine Krone bringend, zwei andere halten hinter ihr einen Prachtvorhang. Gerade das Mittelbild hat etwas Außergewöhnliches, besonders auch im gewaltigen Wurf der tiefeingekehlten Gewänder. Unten steht: Friedrich herlein moler. Die Rückseite des Altares enthält in matteren Farben und in kleinerem Maßstab, flüchtig gemalt, Scenen aus der Leidensgeschichte; darüber halten zwei Engel das Schweißtuch der Veronika. Das oben abschließende Tabernakelwerk des Altares ist verschwunden, während die reichen Baldachine gerade über den Figuren noch wohl erhalten sind. Der Altar steht auf einem Untersatz, der hinter einem Gitter Christus und die zwölf Apostel, kleine holzgeschnitzte Figürchen, früher vielleicht an einem andern Altar befindlich, enthält. In einem Salbuch St.-Blasii findet sich, daß Herlein für den Altar 300 fl. erhielt, in Quittungen aber, daß er von 1483–1499 alljährlich an Invokavit 20 fl. zu erheben hatte.

In der Nordostecke des Chors steigt bis an’s Gewölbe hinauf das von Hans Böblinger in zartem grauem Keuperwerkstein ausgeführte Sakramentshäuschen, eine Arbeit von genialer Freiheit und Feinheit, mit zierlichem Ast- und krausem Laubwerk, und mit kühnen sehr kunstvollen Durchdringungen. Am Sockel trägt es das Meisterzeichen und weiter oben über dem sehr schön vergitterten Hostienkästchen die Jahreszahl 1510. Der Bestandbrief über dasselbe ist noch vorhanden, es kostete 45 fl. rheinisch. An dem Stamme standen einst auf kleinen Konsolen drei feine Heiligengestalten, wovon noch zwei erhalten und neben an der Wand angebracht sind: Nikolaus und Maria Magdalena; und oben unter herrlichen leider etwas

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)