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Bedarfsüberschuß an bürgerliche Privaten um geringe Preise abgegeben. Letztere suchen im allgemeinen den Zustand ihrer Waldungen durch Kultur zu heben. Der Holzeinschlag geschieht bei geringem Waldbesitz der letzteren fehmelweise nach zeitlichem Bedürfniß. Andere pflegen ihren größeren Waldbesitz mit sichtbarer Vorliebe.

Windbruch und Rothfäule beeinträchtigen alljährlich mehr oder minder die Nutzholzausbeute in den Nadelhölzern, welche in den Staatswaldungen gleichwohl schon über 60 % aufgestiegen ist. Als Durchschnitt im ganzen Bezirke können übrigens nur 50 % beim Nadelholze, beim Laubholz nur 20 % Nutzholzertrag angenommen werden. Der durchschnittliche Jahreszuwachs bewegt sich beim Nadelholz zwischen 0,5–0,9, beim Laubholz zwischen 0,4–0,6. Auf den Gerbrindenertrag haben Windbruch, Roth- und Weißfäule häufig vermindernden Einfluß. Es wird übrigens schon der hohen Erlöse wegen überall auf möglichste Rindengewinnung gesehen. Die Gewinnung von Birkenrinden zur Dosenfabrikation und des Lindenbastes verdient kaum der Erwähnung.

Aus dem früheren Unterthanenverbande sprechen die Besitzer vormals fürstlich Ellwangenscher und Deutschordenscher Falllehengüter beziehungsweise Laubstreunutzung, Handgräserei und Rindviehweide – theils unentgeltlich, theils gegen Zahlung einer geringen Taxe in einem großen Theil der Staatswaldungen an. Erstere wurde ehedessen zum sichtbaren Nachtheil der betreffenden Holzbestände übertrieben und ist daher in neuester Zeit zweckmäßig geregelt worden. Auch auf einem Theil der standesherrlichen Waldungen lasten dergleichen Nebennutzungen dritter und in den Gemeinde- und Gemeinderechts-Waldungen wird mit seltener Ausnahme die Laubstreunutzung bis zur äußersten Grenze der Zulässigkeit ausgeübt. Das Nadelreisig wird allgemein zu Streuzwecken benützt und daher gut verwerthet. Die Waldweide hat der intelligentere Theil der Forstinsassen schon längerher freiwillig eingestellt. Die Benützung des Waldgrases mittelst Handrupfens, auf Wegen und Blösen, auch mittelst der Sichel, wird überall, soweit unschädlich, geübt und gestattet. Die Wildobstbäume sind in den Waldungen nahezu verschwunden. Die Harznutzung hat aufgehört. Dagegen wird zur Zeit der Reife das Erd- und Himbeersammeln lebhaft betrieben, in den Staatswaldungen unentgeltlich.

Holzflößerei hat im Oberamtsbezirke Neresheim nie stattgefunden, der Holztransport aus den Waldungen geschieht je nach der Jahreszeit auf Wägen und Schlitten, zum Theil nur bis zu den Haltstationen der Eisenbahn zwischen Heidenheim und Nördlingen, über Aalen, von wo aus die Remsbahn die Bezirksprodukte weiter führt. Seit dem Bestand dieser Schienenwege sind die Waldungen des Herdtfeldes und des Rieses dem großen Verkehr erst erschlossen worden und haben sich die Holzpreise namhaft gehoben.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)