Seite:OberamtNeresheim0083.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

häufig die ganze Gemeinde in die Kirche. An vielen Orten wird die Braut von zwei Führern (Hochzeitsknechte) begleitet, die blanke Degen tragen und Röcke und Hüte mit Rosmarinsträußen geschmückt haben. Sie begleiten die Braut an den Altar, stehen hinter ihr während der Kopulation und geleiten sie wieder in ihren Stuhl zurück. Bei Tisch und Tanz haben sie die Braut zu überwachen und wenn sie Jemand wegführen kann, ohne daß es die Führer merken, so müssen diese die Braut mit Musik abholen und derjenige, dem der Spaß gelungen, darf auf Kosten der Brautführer nach Herzenslust Wein trinken. An einzelnen Orten wirft man den Hochzeitgästen beim Austritt aus der Kirche Süßigkeiten zu, was alsdann durch Etwas vom Hochzeitstische erwiedert wird. Nach der Kopulation hält der Schulmeister auf dem Tanzboden eine Rede und auch der Ortsgeistliche wünscht Glück und Segen; der letztere bleibt anwesend, bis die drei Brauttänze geschehen sind. Während des Hochzeitmahls sitzen die Brautleute und die nächsten Anverwandten am Ehrentisch. Was die Gäste nicht verspeisen, nehmen sie nach Hause. Bei jeder feierlichen Hochzeit mit Kirchgang findet eine „Schenk“ statt, wobei gewöhnlich 24 bis 30 kr. den Brautleuten geschenkt wird; das Geschenk reicht man bei der ersten Begrüßung, dabei darf man aus dem Glas der Braut oder des Bräutigams trinken und erhält einen Wecken. Die Schenkleute kommen erst Nachmittags. Um 12 Uhr Nachts gehen die Brautleute unter Musik nach Hause, die Gäste aber tanzen und zechen noch fort. In Goldburghausen werden die Hochzeiten nur am Dienstag gehalten. 1

Die Leichenbegängnisse werden der kirchlichen Vorschrift gemäß unter großer Betheiligung der Ortseinwohner mit Ernst und Würde begangen, wobei der Geistliche und der Schulmeister mit seinen Schülern vor das Trauerhaus kommen und begleiten von da den Leichenzug, während die Schuljugend geistliche Lieder singt, bis auf den Gottesacker. Der Leichenschmauß oder Leichentrunk ist beinahe ganz abgegangen und nur in Goldburghausen und Umgegend zuweilen noch üblich. Daselbst wird auch, wenn Jemand stirbt, auf 2–3 Stunden im Umkreise von armen Frauenspersonen gegen eine Gabe an Geld oder Brot zur Leiche gesagt, wenn auch der Hingeschiedene ganz unbekannt im Orte war. Die Anverwandten kommen vor dem Leichenbegängniß in das Trauerhaus und klagen das sog. Leid mit den Worten: „Gott verleihe dem Verstorbenen eine sanfte Ruh und eine fröhliche Auferstehung am jüngsten Tage zum ewigen Leben.“ Die in der sog. Klage gehenden weiblichen Personen tragen zum Zeichen der Trauer weiße Tücher über die gefalteten Hände und schwarze Radhauben. Früher heftete man, ebenfalls in Goldburghausen, im Trauerhaus den Männern lange schwarze Flöre an die Hüte, die später als Halstücher von ihnen getragen wurden. In Schweindorf

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0083.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)