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der Erbstreitigkeiten, wodurch Stadt und Amt Weikersheim mit Hollenbach dem Grafen Sigfried zugetheilt wurde, residirte dieser in Weikersheim eine Zeit lang zusammen mit seinem unbändigen Bruder Kraft Magnus, den er 1661 ein halbes Jahr in einem finsteren Gewölbe gefangen hielt, bis die Verwandten ihn nach Schrozberg wiesen. Sigfried hat den bis zum uralten Treppenthurm reichenden Flügel des Schlosses Weikersheim zu bauen angefangen, starb aber noch vor der Vollendung 1684. Wieder folgten Zwistigkeiten um den Besitz von Weikersheim. Im Schloß daselbst beriethen um Fastnacht 1687 die Diener der überlebenden Brüder wiederholt die Theilung und machten dem Grafen Wolfgang Julius von Neuenstein, dem berühmten Kriegshelden, die Zeit lange. Da ließ er die Diener von Öhringen und Künzelsau zwei Tage ohne Speise und Trank einsperren. Am zweiten Abend sandte er ihnen einige Schüsseln, aber nur einen Löffel: „weil sie ohnedies so einig seien, können sie auch mit einem Löffel essen.“ Weikersheim fiel Johann Friedrich († 1702) zu. Ihm folgte Karl Ludwig, zuerst als Administrator für seinen geistig und körperlich leidenden Bruder Kraft, welcher 1709 sein trauriges Dasein in Weikersheim beschloß. Sofort nach seinem festlichen Einzug in Weikersheim 1709 wurde der ganze linke Flügel des Schlosses im Inbau umgestaltet, der Platz zum Garten geebnet, der angrenzende Stadtgraben ausgefüllt. Karl Ludwig theilte die Baulust der größeren Fürsten des Zeitalters, und wie der französische Alleinherrscher, so erscheint auch der Graf von Weikersheim in den Deckengemälden der Prunksäle, welche die Götterversammlung des griechischen Olymp darstellen, verherrlicht, wenn auch von zweifelhafter Künstlerhand. Außer dem erwähnten Inbau des Schlosses und dem Bau der zu demselben führenden Brücke, sodann verschiedenen Verbesserungen und Verschönerungen der Stadtkirche, außer einem Hospital und größeren Gebäuden für Beamte und Dienerschaft war es besonders der Schloßgarten und der nahe Karlsberg, womit sich der gräfliche Bauherr beschäftigte. Der Schloßgarten, ganz nach dem Vorbild von Versailles angelegt, war mit Springbrunnen und Wasserkünsten, mit Statuen, worunter das große Reiterstandbild des Grafen selbst, ausgeschmückt; Terrasse, Pavillons, Orangerien, Glashäuser, Gartenwohnungen, Grotten, Baumgänge – alles trug den bekannten Stempel des herrschenden Kunstgeschmacks. Auf dem Karlsberg aber, jenem freundlichen, das

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0810.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)