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Das nach Beringers Plan ausgeführte Schloß bildet in der Hauptform ein Rechteck, endigend in sechs höchst reich geschmückte Renaissancegiebel; drei Giebel gegen den Schloßgarten, Süden, einer gegen den Schloßhof, Norden, und je einer an den Schmalseiten. Der Bau ist dreistockig mit steinernen Sprossenfenstern und an dem durch das zweite und dritte Geschoß hindurchgehenden großen Saal gegen Norden und Süden mit kolossalen Steinkreuzfenstern; darüber sind Vierblattfenster. In der Südwestecke des Schlosses steigt ein breiter Treppenthurm empor, auf seinem Dach eine Blechfigur mit Schwert.

Die Änderungen an diesem Schloßbau sind nun folgende: an der östlichen Außenseite wurde unten ein Rundbogenportal eingebrochen, mit der Jahreszahl 1680; viel durchgreifender aber ist das Vorstellen jener Arkaden vor die in den Schloßhof schauende Seite des Schlosses. Es sind acht Rundbogen-Arkaden in schwerer Rustika, die fünfte weiter, als Durchgang, mit sehr wirksamem Bossenwerk, toskanischen Pilastern und Pilaster-Schlußsteinen an den acht Rundbögen. Darüber ein originelles reichdurchbrochenes Steingeländer.

Diese Arkadenreihe verräth wieder den Meister Paul Platz, wurde also auch um das Jahr 1680 gebaut; und damit von dieser Altane aus ein Eingang in den großen Saal geführt werden konnte, mußte, wie man wohl sieht, eines der großen Steinkreuzfenster beseitigt werden. Unter den Arkaden erscheinen am Schlosse selbst außerdem zwei gothisirende Rundbogenthüren, von denen jetzt diejenige rechts vom jetzigen Durchgang zugemauert ist.

Sofort beim Hereintreten in den Schloßhof wird das Auge gefangen genommen durch den malerischen Anblick dieser ganzen nach Norden schauenden Schloßseite, mit ihrem hohen Renaissancegiebel, den riesengroßen Saalfenstern und dem vorgebauten in ernster Rustika gehaltenen Arkadengang; Moos, Farrnkräuter und kleine zarte Blumen wachsen jetzt fröhlich aus den Ritzen dieser verwitternden kräftig profilirten Arkaden und stimmen mit ihren frischen Farben gar schön zum düster graulichen Ton des Sandsteins, dahinter die lichter gefärbte Masse des Saalbaues, ausklingend in dem reich verzierten und verzackten hochaufragenden und vom Wetter geschwärzten Renaissancegiebel. Eigenthümlich sind auch die aus den Mauern des Schlosses zum Öftern hervorschauenden Löwenköpfe, deren Anbringung ohne Zweifel auch auf Meister Platz (um 1680) zurückzuführen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 787. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0787.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)