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Am Beginn des Chores steht südlich ein gar zierliches Achtecksthürmchen mit enger Schneckentreppe, ganz ähnlich wie an der Herrgottskirche bei Creglingen und an der Marienkirche in Würzburg. Auf der andern Seite erhebt sich der stattliche Glockenthurm, in den unteren zugleich mit der Kirche erbauten Geschossen aus trefflichem Quaderwerk mit prachtvollen Lilienfriesen und vortrefflich profilirtem rechteckigem Stabwerksfenster (Sakristeifenster) gegen Osten. Nach oben wird der Thurm neuer, hat große spitzbogige Schallfenster und endigt in ein zwiebelartiges Dach, worauf die große Madonna (aus Goldblech) im Strahlenkranze weit über Thal und Berge glänzt. Der Chor hat sich noch ganz in der ursprünglichen Bauart erhalten, und ist mit herrlich hohen Maßwerksfenstern und prächtigen, von Spitzsäulen verzierten Strebepfeilern, an denen Thier- und Menschengestalten oft abenteuerlich hocken, aufgeführt. Über die Sage vom Thurmbau s. S. 134 f.

Ehe wir das Innere der Kirche betreten, sei ein Wort über ihre Baugeschichte gesagt. Der im J. 1412 begonnene Bau schritt rasch vorwärts, nur der Thurm kam nicht recht zur Vollendung. Durch die Stürme des dreißigjährigen Krieges schwer beschädigt, wurde die Kirche von 1642 an im Stile der Zeit wiederhergestellt, und zwar erstreckte sich die Restauration auf den Thurm, die Versehung der Langseiten des Schiffes außen mit Strebepfeilern, im Innern mit Gewölben, Erneuerung des Dachwerks und des Westgiebels, Belegen des Bodens mit Sandsteinplatten, Fertigung neuer Altäre und Stühle. In den Thurmknopf wurde in bleierner Büchse eine Inschrift niedergelegt des Inhalts, daß am 26. März 1642 der Thurm von Neuem bedacht, aufgerichtet und dieser Knopf mit dem Marienbild durch den Bischof Franziskus von Bamberg und Würzburg, und die Grafen Melchior und Hermann von Hatzfeld von Neuem in diese Form renovirt und sammt der Kirche wieder auferbaut worden sei, (was aber nach Obigem zu berichtigen ist). – Es waren 555 Fuhren Steine, Bretter und Bauholz zum Baue nöthig, und wurden theils in der Frohne, theils aus freiem Willen durch fromme Landleute aus dem Gäu geleistet; die Unsicherheit war damals so groß, daß die Fuhren von Ochsenfurth aus stets von Soldaten begleitet wurden. Der ganze Geldaufwand betrug 1352 Gulden.

Damals wurde auch das bis dahin inmitten der Kirche gestandene alte Kapellchen abgebrochen und das hierin befindliche

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0603.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)