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Portale öffnen das Schiff, hohe in prächtige Blumengiebel ausgehende Strebepfeiler stützen den Chor der Kirche, an deren Südseite, beim Choranfang, ein achteckiges Treppenthürmchen, die sogenannte Tetzelkanzel, gar zierlich emporsteigt. Gliederungen und Maßwerke an Fenstern und Portalen sind von vollendeter Feinheit, zuweilen auch drängen sich fratzenhafte Menschen- und Thiergestalten in den edlen steinernen Blätterzierat der Kirche.

Im Innern der Herrgottskirche hat das Auge sofort Mühe, alle die Werke der Kunst zu überfliegen. Außer dem berühmten Marienaltar, der inmitten des Schiffes steht, besitzt sie nemlich zu Seiten des Triumphbogens noch zwei gothische Altäre und im Chor einen großen gothischen Hochaltar, alle drei mit Gemälden und vielen reich bemalten und vergoldeten Heiligenfiguren, nur leider zum Theil stark beschädigt. In den Fenstern schimmern Glasgemälde, die hochgesprengte Holzdecke des breiten Schiffes ist noch alt und bemalt, die Chorstühle sind mit flachen spätgothischen Blumenranken belebt, auch an den Wänden und am kühnen Chorgewölbe zeigt sich Bemalung. Der Boden des Schiffes, wie des Chores, ist vollgelegt mit schönen Grabplatten aus dem 16. und 17. Jahrhundert; dann schmücken noch zwei großartige gothische Kruzifixe die Kirche, den Chor reizende steinerne Blätterkonsolen und ein zierliches Sakramenthäuschen, an einem Pfeiler hängen noch heute die drei hochalterthümlichen Wappenschilde der Stifter der Kirche, der Grafen von Hohenlohe-Brauneck, und endlich, als ein Werk einzig in seiner Art, und beinahe völlig erhalten, steht inmitten des Schiffes der Marienaltar, ein Werk von nicht genug zu bewundernder Schönheit des Entwurfs und Zartheit der Ausführung. Im Mittelfelde, als Hauptgruppe, schwebt, gehalten von holdseligen Engeln, die Himmelskönigin in weicher Bewegung, die feinen Hände gefaltet, und mit dem jungfräulichen Antlitz schwärmerisch sanft emporschauend; darunter, zu ihr aufblickend in hoher Verzückung, die Schaar der zwölf Apostel mit ihren ausdrucksvollen Lockenköpfen! Weiter oben im Tabernakel, das in den zartesten Ranken und Blumen sich gipfelt, die Krönung Mariä.

Gehen wir nun mehr in das Einzelne. Die Kirche, einschiffig, mit hochgesprengtem hölzernem rundbogigem Tonnengewölbe und vieleckig fließendem, von schönen Rippenkreuzgewölben überspanntem Chor, wurde gebaut um das Jahr 1384 im, man darf wohl sagen, elegantesten gothischen Geschmack, in

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0488.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)