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wovon er jedoch keinen Anlaß hatte, Gebrauch zu machen. Auf Beck folgte 1837 K. E. A. Wüst, welcher gleichfalls das Lehramt mit bekleidete, bis dieses 1846 von der Stadtpfarrei getrennt wurde. Seit 1869 ist der Stadtpfarrer zugleich Garnisonspfarrer.

Das durch freiwillige Beiträge und Stiftungen, insbesondere von dem langjährigen Kirchenfondsverwalter Oberzoller Weismann 1858 im Betrag von ca. 3500 fl., angesammelte evangelische Kirchenvermögen beträgt zur Zeit 21.253 Mark.

Die ersten Juden werden in Mergentheim zuerst 1298, anläßlich einer heftigen Verfolgung des Handelsvolks im Fränkischen, erwähnt, dann wieder 1312, 1336 bei neuer Verfolgung. 1341 erlaubte Kaiser Ludwig der Baier den Deutschherren, in Mergentheim 6 seßhafte Juden zu halten. Von ihrem Besitz gibt einen Begriff, daß 1385 der Jude Abraham von Mergentheim für die Freilassung aus der Rothenburger Haft 11.000 Gulden bezahlen konnte, woran Ulrich v. Hohenlohe für 9700 Gulden mit Stadt Weikersheim und Zugehör, welche der genannte Jude innehatte, sich verbürgte. Gegen Judenwucher erließen die Deutschmeister im 16. und 17. Jahrhundert wiederholt Mandate. 1636 wurde gestattet, einen Rabbiner anzustellen, 1658 die 1825 renovirte Synagoge erbaut, 1663 der Schutzbrief gegen die Obliegenheit, entweder wie in Rom den christlichen Gottesdienst zu besuchen, oder 1000 Gulden einmal oder 100 Gulden jährlich an die Pfarrkirche zu zahlen. Auch mußten die Juden von Mergentheim mit denen von Edelfingen, Igersheim, Markelsheim und Ailringen elf herrschaftliche Jagdhunde, sowie die nöthigen Postpferde halten. Ebenso hatten sie mehr Weg- und Pflastergeld zu entrichten: ein fremder Jud 4 Kreuzer, wenn er reitet 8 Kreuzer, ein schutzverwandter 3 und 6, ein todter Jud 1 Gulden. Seit 1790 hat die Zahl stetig zugenommen (1790: 67, 1810: 79, 1819: 103, 1864: 176, 1875: 207). Im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts stand an der Spitze der hiesigen Judenschaft der von Oedheim gebürtige, zuvor in Neckarsulm als Deutschordischer Geschäftsagent verwendete Baruch Simon, der Großvater Ludwig Börne’s. Letzterer verbrachte in den 90er Jahren einen Theil seiner Kindheit im großväterlichen Haus, dem jetzigen Rabbinatshaus. (W. F. 5, 376 ff. 7, VI. 8, 61 ff.)

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0421.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)