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Durch Einigkeit, innere Ordnung, sparsamen Haushalt und kluge Benützung der Verhältnisse war die Bürgerschaft der seit 1274 der Reichsfreiheit sich erfreuenden Stadt reich und stark geworden. Dies machte es ihr möglich, in verhältnismäßig sehr kurzer Zeit ein bedeutendes Gebiet durch Ankauf zu erwerben und gegen die benachbarten Fürsten und Herren zu behaupten. Großentheils knüpft sich dieser Machtzuwachs an die Geschichte eines sehr denkwürdigen Mannes des tapfern und klugen Bürgermeisters Heinrich Toppler, der von 1373 bis 1408 an der Spitze des kraftvollen Gemeinwesens stand. Zwar unterlag der reiche gewaltige Mann, dem wir auch in der Ortsgeschichte unseres Bezirks wieder begegnen werden (s. Vorbachzimmern) 1408 einer neidischen Anklage und starb in dem geheimen Staatsgefängnis seiner Vaterstadt an Hunger oder Gift. Aber sein System, den Verfall der Adelsgeschlechter in Folge der Zersplitterung durch Erbverträge und steigende Schuld- und Pfandverlegenheiten für die Stadt nutzbar zu machen, dauerte fort. Sobald einer dieser großen Landbesitzer Geld brauchte, war Rothenburg zum Darleihen bereit. Gewöhnlich schoßen einige Bürger den Betrag zusammen, welchen man aus ihren Händen um so unbesorgter nahm, da sich von ihnen keine Behauptung des Pfandgegenstands erwarten ließ. Unversehens traten aber die Gläubiger ihre Rechte an die Stadt ab, und die Sache endete gewöhnlich mit einem Kaufvertrag über das Hauptgut, an welches sich die herrschaftlichen Rechte knüpften, oder mit einem Zuschuß zu der Pfandsumme, bis ein fester Kauf eintrat. Sogleich begann alsdann der Rath, einzelne Gutstheile an seine Bürger abzutreten, ohne dabei gerade auf Geldgewinn zu sehen. Indem er sich aber die besten Herrschaftsrechte vorbehielt, die Käufer auch für deren Erben verpflichtete, stets das Bürgerrecht anzunehmen, und das Verkaufsrecht sich wahrte, verstärkte er die Macht der Stadt durch Erweiterung des Gebiets, erleichterte seinen Bürgern wohlfeilen Gütererwerb und erhielt in kurzer Zeit das aufgewendete Kaufkapital zurück, um es auf ähnliche Weise wieder anzulegen, oder auch einmal um theures Geld etwas von dem reichen Burggrafen von Nürnberg zu kaufen, dessen Einmischung in der Nähe man um jeden Preis verhüten mußte. So kamen aus unserem Bezirk an Rothenburg: Feste und Herrschaft Lichtel vom Bisthum Würzburg 1399, Burg und Vogtei Seldeneck von den Burggrafen von Nürnberg 1404, ein Theil von Archshofen von den Herrn von Rein[ER 1] 1463. Zu Schirm und Schutz dieser Erwerbungen, sowie als Zoll- und Mautgrenze wurde seit 1430 die Landhege oder „Landwehr“ errichtet, ein tiefer Graben, zu beiden Seiten durch lebendige Hecken und Bäume, an neun Stellen durch Wartthürme („Landthürme“) an anderen durch Barrieren oder Riegel gedeckt. Fortan hatte die Reichsstadt faktisch ein geschlossenes Territorium, dessen Bestand Kaiser Maximilian 1507 bestätigte. Das ganze Gebiet wurde in zwei Vogteien getheilt: die Landvogtei im Gau, rechts der Tauber, und die kleine Landvogtei oder Zwergmeier, links von dem Fluß. (Bensen, Hist. Untersuch. 192 f. Kurze Beschr. u. Gesch. v. Rot. 23 ff. Bavaria 3, 1196 f.) 1

Wir kehren zu den Deutschherren zurück und stellen zunächst einiges über die Beziehungen des Deutschordens

Errata

  1. S. 265 Z. 13 von unten lies Rein. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 836.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0265.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)