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oder etwas von ihrer Kleidung entwenden. Nicht selten arbeitet sich ein verwegener Bursche unter dem Tisch durch bis zur Braut, um ihr unbemerkt einen Schuh zu stehlen. Ja es wurden schon Leitern angelegt, die Scheiben eingedrückt und so der Brautkranz geraubt. Hat eine Braut das Unglück gehabt, am Hochzeittag um ihr Kränzlein zu kommen, so geht das Gerede noch lange von ihr.

S. auch Birlinger, Volksthümliches II, S. 389. 393. 394.

Am Schluß der Mahlzeit werden Teller für die „Köchin“ und „Spülmad“ aufgestellt, und die Gäste von der einen oder andern, die mit verbranntem Küchenschurz ins Zimmer tritt, um eine milde Beisteuerung zum Ersatz des Brandschadens angegangen.

Nach dem Essen wird von den jungen Leuten fast fortwährend gesungen und, wenn Musik da ist, auch getanzt.

Auch kamen früher in manchen katholischen Orten nach dem Abendläuten (Angelus) sämtliche Jungfrauen des Orts vor das Hochzeithaus, um der Braut die Abschieds- und Glückwunschlieder zu singen. Dieses Singen hieß das „Pfeffersingen“. Die Mädchen erhielten dafür gewöhnlich eine Gießkanne Wein, den sie dann in einem Wirthshaus unter Gesang und Scherz tranken.

Heirathete eine Witwe, so sangen die Frauen. Heirathete eine Gefallene, so wurde nicht gesungen. Birl. II, S. 389.

Abends stellen sich die „Schenkerinne“ mit den „Hochzigg’schenke“ ein und nehmen an der zweiten, bis tief in die Nacht sich hineinziehenden Mahlzeit theil.

So geht’s singend, essend, trinkend, schießend, tanzend und in den Häusern der Verwandten – bei größeren Hochzeiten mit Musikbegleitung – herumziehend oder Gäste fortbegleitend bis zum Donnerstag fort.

Beim Abschied bekommen sämtliche Gäste ihren „Thal“ (Theil) d. h. je einen Laib weißes Brot („Kuche“) nebst einigen Waffeln, 1/4 „Gouloppe“ und wohl auch ein „Stückle Flasch“ mit nach Haus, wozu jeder sein besonderes „Tüchle“ mitbringt.

Bleibt die Braut im Ort, so wird am Abend des Hochzeittags zwischen dem Mittag- und Nachtessen, gewöhnlich aber erst am nächsten Tag „Einzug“ gehalten, d. h. die Aussteuer wird nun Stück für Stück von den Brautjungfern und Brautführern unter Gesang und gewaltigem Schießen in möglichst vielen Gängen ins Haus der Neuvermählten getragen. Ist dies geschehen, so werden die jungen Eheleute, einander an der Hand führend, von ihren Eltern und der ganzen Hochzeitgesellschaft

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0163.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)