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statt, zu welchem der Geistliche und Lehrer den Zug im Hochzeithause abholen und – den Bräutigam in ihrer Mitte – zur Kirche geleiten.

Beim Eintritt ins Zimmer wird dem Geistlichen und Lehrer von einer der Brautjungfern ein Glas Wein angeboten und von einer zweiten ein seidenes Tuch mit einer Zitrone oder einem „Zemmel“ (Rosmarinzweig) als Geschenk der Braut übergeben. Auch sämmtliche übrige Gäste sind mit solchen „Zemmeln“ versehen. Bei der Trauung bemühen sich die Brautleute, daß sie so nah als möglich am Altar und neben einander stehen, daß sich nichts Böses zwischen sie eindrängen kann; auch kommt es wohl dann und wann noch vor, daß bei dem eigentlichen Trauakt jedes seine Hand oben auf zu bringen sucht, um die Herrschaft im Hause zu erlangen.

Nach der kirchlichen Trauung wird der Hochzeitzug vom Geistlichen in gleicher Weise wie in die Kirche so ins Haus der Brauteltern, in welchem, wenn dieselben noch am Leben sind, regelmäßig die Hochzeit gehalten wird – (nur in den Städten, aber auch da höchst selten, wird das Essen im Gasthof eingenommen) – zurückgeführt, und nun wird die allgemeine Gratulation durch eine kurze Glückwunschrede des Geistlichen eröffnet. Gast um Gast, die Brautführer und Brautjungfern voran, dann die Taufpathen etc., geht zu den Neuvermählten, die aber auch jetzt noch nach alter Weise das Brautpaar heißen, reicht ihnen die Hand und spricht: „i wünsch’ ich (euch) Glück!“

Bald darauf beginnt die Mahlzeit, die ungefähr 3 Stunden dauert, und bei der Braut und Bräutigam, früher allgemein und da und dort auch jetzt noch, aus einem und demselben Teller essen.

In manchen Orten des Gäu bestand früher und besteht wohl auch jetzt noch die Sitte des „Kränzlestehlens“. Die Brautleute sitzen während des Mahls in der Stubenecke, „Herrgottswinkel“ genannt, weil das Kruzifix da angebracht ist. Neben der Braut sitzen zwei Brautführer, die sie während des Essens zu bedienen haben, damit keiner der Gäste ihr etwas zu essen oder zu trinken reicht. Machen sie dabei ihre Sache nicht recht, d. h. bieten sie die Speisen nicht in der rechten Reihenfolge, z. B. den Salat vor dem Braten an, so dürfen sie sicher auf Schimpf und Spott rechnen. Hauptsächlich aber müssen beide in Gemeinschaft mit dem Bräutigam wachsam sein, daß die ledigen Bursche der Braut nicht mit irgend einer List das Kränzlein

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0162.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)