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Das Anzünden der Johannisfeuer „Hansfeuer“ hat an einzelnen Orten vor Kurzem im Bezirke noch stattgefunden, jetzt aber ganz aufgehört.

Eine große „Maie“, und zwar nicht eine Birke wie an Pfingsten, sondern eine Fichte wurde früher in vielen Orten auf dem freien Dorfplatz an der Kirchweih aufgerichtet zum Behuf des „Hammeltanzes“. Unter Musikbegleitung wurden die Mädchen in ihren Wohnungen abgeholt und nun gieng es im Zug auf den Festplatz zu der von den Mädchen mit Kränzen und Bändern geschmückten „Maie“ und zu dem von den Burschen besorgten, ebenfalls reichlich bebänderten und bekränzten Hammel.

Auf dem Baum befand sich eine geladene Pistole. War der Zug angekommen, so wurde der Schwamm, der die Ladung entzünden sollte, angezündet, und das Paar, welches gerade im Augenblick des Schusses unter dem Baum im Zug sich befand, hatte den Hammel gewonnen. Dann giengs zum Tanz in die Wirthshäuser.

Ernte. Am Sonntag nach Beendigung der „Kårnära“ (Roggen- und Dinkelernte) wird die „Niederfallet“ (Sichelhänget) gefeiert durch besseres Mittagessen und Austheilen von „Kuchen“ (weiße Brotlaibe) und „Küchle“ (Schmalzgebäck).

Sedansfeier. Der 2. September, der „Sedanstag“, wird von den meisten Gemeinden in Kirche und Schule gefeiert. In manchen Schulen werden Geschenke, in Büchern, Heften etc. bestehend, vertheilt, im Freien Kinderspiele veranstaltet. Abends versammeln sich die Erwachsenen zu geselliger Feier, und werden in mehreren Orten die „Ausmarschirten“ auf Kosten der Gemeinde mit einem Abendessen bewirthet.

Kriegervereine haben sich fast in allen Orten gebildet.

Kirchweihe. Das größte weltliche Fest aber ist die „Kärwe“ (Kirchweih) im Herbst. An ihr gibts auch in den Häusern der Armen – fast das einzigemal im Jahr – „gräns Flasch“[ER 1] d. h. frisches Rindfleisch. Es wird viel gebacken, nicht blos „Kuchen“, weißes Brot, sondern auch „Blåz“ = dünne Kuchen verschiedener Art.

Das Fest wird schon einige Tage zuvor von den ledigen Burschen an- und eingetrunken („Kärweeintrinke“). Am Sonntag kommen zum Kirchgang und zur „Kärwemohlzeit“ die Verwandten oft weit her. Abends geht Alles in die mit „Kärwewein“, der gewöhnlich nicht allzustark ist, und Speisen reichlichst versehenen Wirthshäuser.

Errata

  1. S. 156 Z. 9 von unten lies Flasch. Siehe Berichtigungen und Ergänzungen, Seite 835.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0156.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)