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22. Der Marienaltar in der Herrgottskirche.

Ein Schäfer lag einsam auf dem Felde heiliger Betrachtung ob und faßte den Entschluß, Gottes Namen durch die Stiftung eines Altars zu verherrlichen. Da er sehr arm war, so unterzog er sich selbst der Ausführung und siehe da! durch Gottes Beistand gelang sie ihm herrlich.

Der in der Predella auf der Bank sitzende Mann mit einer Kappe auf dem Kopf, einem Buch auf den Knien, an den sich Maria wendet, soll der Künstler des Werks selber und das Schnitzmesser in der abgebrochenen rechten Hand das Wahrzeichen des Altars gewesen sein. (Sch. II S. 114. Wirt. Franken VI S. 301.)


23. Das hölzerne Kreuz in der Herrgottskirche.

Unter den Alterthümern der Kirche ist ein uraltes hölzernes Kreuz zu erwähnen. Es hängt mitten in der Emporkirche mit eisernen Klammern befestigt. Es ist 10 Schuh lang und 1/2 Schuh dick und besteht aus runden Balken, in welchen 55 hölzerne Nägel eingeschlagen sind.

Einer Sage zu folge wurde dieses Kreuz von Gottfried dem letzten der Braunecker, der auf einer Jagd das einzige Söhnlein seines Bruders aus Unvorsichtigkeit erschossen hatte, auf einer Bußfahrt mit bloßen Füßen von Rom hieher geschleift. (Sch. II S. 122 und V S. 111 f.)

Zwei solcher Kreuze, die von Wallfahrern aus weiter Ferne auf den Schultern getragen worden sind, darunter das eine von Eichenholz sehr schwer, werden auch auf der Bergkirche bei Laudenbach aufbewahrt.

Auch an diese Kirche knüpfen sich einige Sagen.


24. Die Bergkirche bei Laudenbach.

Am Fuß des Bergwalds bei Laudenbach sollte eine Kapelle erbaut werden. Steine und Balken dazu waren schon am Bauplatz aufgehäuft. Aber siehe da! eines Morgens war der Bauplatz leer und sämmtliches Material fand sich hoch oben im Bergwald vor. Es wurde wieder hinabgeschafft, aber schon andern Tags war es abermals von unsichtbaren Händen in die Höhe des Waldes getragen. Man forschte nun droben im Walde näher nach und fand in einem dichten Eichenbusch ein hölzernes Marienbild, dem zu Ehren nun an selbiger Stelle die Bergkirche erbaut wurde. (Mündl.)


25. Der Thurmbau der Bergkirche.

a. Der Baumeister des Bergkirchenthurms soll Meister Fries von Mergentheim, sein Obergeselle Kraft von Laudenbach gewesen sein. Fries hatte ein schönes Töchterlein Namens Margareta, die sich heimlich dem sehr geschickten Gesellen verlobte.

Als nun nach einiger Zeit ein reicher Müllerssohn von Schäftersheim um Margareta freite, und ihr Vater denselben zum Schwiegersohn haben wollte, gestand Margareta ihre Liebe zu Kraft und erklärte, lieber sterben, als von demselben lassen zu wollen. Darüber sei der Meister hoch oben auf dem Gerüst mit dem Gesellen in Streit gerathen und habe denselben in die Tiefe gestürzt.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0134.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)