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diese Söhne des Gaulandes; langsamen, schwerfälligen Schritts gehen sie einher, denn im zähen Lehmboden läßt sichs schwer vorwärts kommen; auch die Frauen, korpulent und breithüftig, haben eine vorwärts gebeugte Haltung, plumpen Gang von der Gewohnheit, schwere Lasten Futters auf dem Rücken zu tragen; kleiner und schmächtiger sind die Bewohner in den Thaleinschnitten der Flüsse, wo die Häcker und Handwerker vorwiegend sind etc.) – Leute, die, weil eine gewisse Wohlhabenheit herrscht, auch etwas auf sich und von sich halten. Es thut sich dies kund in der Reinlichkeit der Ortsstraßen, im freundlichen Anstrich der nicht selten zweistockigen Häuser (der Bezirk ist der gebäudereichste im ganzen Land Württ. Jahrb. 1879 S. 128) an deren Fenstern vielfach wohlgepflegte Blumen prangen; es zeigt sich weiter in der Kleidung und namentlich auch im Benehmen. Ein echter Gäubauer ist stolz darauf, in der Gesellschaft anständig und höflich zu sein. Auch die Protestanten sind fleißige Kirchgänger; die Hausgebete Morgens, Abends und bei Tisch, meistens sehr umfangreich, werden gewöhnlich von allen Hausangehörigen im Chor gesprochen. Charakteristisch ist ein zähes Festhalten am Althergebrachten; der Neuerungssucht gegenüber vernimmt man gar häufig den Ruf: ’s it ma Latti sou gwa! (es ist mein Lebtag so gewesen). Kein Kauf und Tausch ja selbst wenige Eheverlöbnisse können ohne israelitische Mitwirkung zu Stande kommen. – Endlich geben wir dem Verfasser der obigen Beschreibung der körperlichen Eigenschaften der Bezirksbewohner das Wort.

Der Charakter des Volkes ist gut, ruhig, friedliebend und fest am Hergebrachten hängend. Neuerungen werden meist nur scheu und vorsichtig aufgenommen. Im Allgemeinen sind die Bewohner, entsprechend dem Grundzug der Franken, gegenüber dem Schwaben lebhafter, gewandter, aber oberflächlicher im Urtheil und weniger stabil in der Überzeugung, aufmerksam und höflich gegen Fremde, freundlich, bescheiden, gefällig, zuvorkommend (in abgeschlossenen Ortschaften schüchtern), daneben weichherzig, mitleidig und wohlthätig, leicht zu Freude und Trauer hinzureißen.

Hinter dem freundlichen Gesicht steckt aber nicht immer Wahrheit und die Rede dient öfters zum Verbergen der Gedanken und steigert sich dieses Wesen bei Manchen bis zur Verschmitztheit, besonders im Handel und Wandel und bei Ausführung dieser oder jener Pläne. Pfiffig sein und auch auf nicht

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)